special
"Der
Blues der Bücher" erzählt von der Kunst,
sich selbst zu beherrschen.
Männerherrschaft
III
alles
geregelt
das
weiße Kamel
Jungfraugeburten
Achsenzeit
Gott
im Himmel
neue
Bücher
Rache
der Männer
an
einem Montag
Märchen
einfacher
zu glauben
Schöpfungsgeschichten
UFOs
geistige
Reife
Zweifel
welche
Wahrheit?
|
|
Der
größte und letzte aller Propheten regelte alles
ganz genau. Die Körper der Frauen sollten von nun
an verschleiert werden, um endgültig Schluss zu machen,
mit der sexuellen Magie der großen Göttin.
Den triebhaften Männern wurde die Idee der Sünde
erklärt und die Zeit zum Nachdenken gestohlen, durch
zwanghaftes Rezitieren der Weisheiten des Propheten, die,
wie eine Hypnoseformel, immer wieder auf die gleiche Aussage
hinausliefen: Dass es keinen Gott gab außer Alláh.
Dem
christlichen Vorbild folgend, sollten die Ungläubigen
mit dem Schwert bekehrt werden, um danach für immer
und ewig in der Hölle zu schmoren. Den Gläubigen
aber wurden Húris im Paradies versprochen, schöne
Jungfrauen, die sie nach ihrem Tode ellenlang begatten
durften, wenn sie sich zu Lebzeiten dem Willen Gottes
unterwarfen.
Im
Jahr 638 unserer Zeitrechnung, sechs Jahre nach dem Tod
des Propheten, zog Kalif Omar I. auf einem weißen
Kamel in Jerusalem ein. Die heilige Stadt der Juden und
Christen wurde zum religiösen Zentrum aller drei
großen Buchreligionen, die auch Abrahamsreligionen
genannt werden, weil sowohl Juden, als auch Christen und
Muslime sich als Nachkommen des Stammvaters Abraham betrachten,
der vor knapp 4000 Jahren Mesopotamien verließ,
um in das Land Kanaan zu ziehen, das später von den
Griechen, nach den dort lebenden Philistern, den Namen
Palästina erhielt.
Das semitische Wort Kanaan bedeutete "Purpurland".
Kanaan war das Land, wo die Purpurschnecken wohnten. Abraham
hieß soviel wie: "Vater der Menge". Der
Name seiner Frau Sara bedeutete "Herrin". Sara
war die Herrin der Kinder Abrahams. So stand es in der
Heiligen Schrift (Genesis).
Weil
Mohammed als Analphabet großen Respekt vor Büchern
und Schriftgelehrten hatte, durften die Christen und Juden
bei den Eroberungszügen im Namen Alláhs, wegen
ihres Glaubens an einen einzigen Gott, und wegen ihrer
Schriften als "Völker des Buches" (ahl
al-kitab) bezeichnet, gegen die Zahlung einer Kopfsteuer
ihren Glauben und das Recht auf freie wirtschaftliche
Entfaltung behalten. So stand es geschrieben.
Es
gab aber auch die anderen Geschichten, nach denen bei
der Eroberung Persiens durch die Anhänger des Propheten
das gesamte persische Schrifttum vernichtet wurde. Denn,
wenn es nur noch einen Gott und einen Propheten gab, dann
sollte es auch nur noch ein einziges Buch geben. Den Koran
(al-kur'án = das zu Rezitierende), der rezitiert
werden musste. Auf dem Berg Zion in Jerusalem, dem Allerheiligsten
der Juden, wo einst der Tempel Salomons stand, wuchs nun
der Felsendom empor (691/692), als bedeutendstes Heiligtum
der islamischen Welt neben Mekka und Medina.
Drei
Jahre nach Jerusalem unterlag das ägyptische Alexandria
(641/642) den islamischen Eroberern. Dabei fiel auch die
große königliche Bibliothek in die Hände
der Muslime. Auf die Bitte, die Bücher zu erhalten,
hatte Kalif Omar geantwortet: Wenn diese Bücher mit
dem Buch Gottes übereinstimmten, so seien sie nutzlos
und müssten nicht erhalten werden. Es gebe ja bereits
den Koran. Wenn
aber diese Bücher nicht mit dem Koran übereinstimmten,
so müssten sie ohnehin vernichtet werden. Angeblich
verteilten sie sämtliche Schriftrollen an die 4000
Bäder der Stadt, um sie dort zu verheizen. Es dauerte
sechs Monate, bis die letzte Schriftrolle verbrannt und
das literarische Erbe der Antike vernichtet war.
Letztlich
mussten sich alle eroberten Völker dem Willen des
größten und letzten aller Propheten unterwerfen.
Widerspruch war ihm ein Gräuel. Vielleicht hatte
er sich deshalb auch mit einer 6 jährigen (A'isha)
verlobt und sie mit neun Jahren entjungfert. Da war er
bereits 50 Jahre alt. Zu seinem Harem gehörten neun
Frauen, zwei Konkubinen und Sklavinnen zum Vernaschen
zwischendurch.
*
Wahrscheinlich
lag es am Regenwetter, am November oder der allgemeinen
Niedergeschlagenheit, dass in Lomé an Bord der
Golden Harvest soviel über Gott und die Welt gesprochen
wurde. Kris machte uns auf ein paar Besonderheiten bei
der Entstehung der Religionen aufmerksam. Eine bemerkenswerte
Gleichzeitigkeit in Ost und West, die unmöglich auf
Absprachen beruhen konnte.
Kurz
nachdem in Babylon die Hammurabi-Gesetze herauskamen,
wurde in Indien vor 3600 Jahren mit dem Rigveda des Vedismus
der Hinduismus begründet, als älteste Religion
der Welt. Vorher gab es sowas nicht.
Tausend Jahre später kam es dann in der Mitte des
6. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung sowohl im Westen
als auch im Osten zu einer religiösen Aufbruchsbewegung,
die sich wie eine Flutwelle über die Erde ergoß,
als hätte ein Zeitgeist das Kommando gegeben.
Innerhalb
von nur 50 Jahren (550 - 500 v. u. Z.) entstanden überall
auf der Welt unabhängig voneinander die verschiedenartigsten
Religionen. Im alten Iran der Zoroastrismus, in Israel
der Judaismus, und in Italien die geniale Numerologie
des griechischen Philosophen Pythagoras (570 - 496 v.
u. Z.) In China wurde Lao Tse (alter Meister) (604 - 517
v. u. Z.) von einer Jungfrau geboren, um der Menschheit,
mit Hilfe des Taoismus, den Weg zu weisen. Das Wort "Tao"
bedeutete "Weg".
Konfuzius begründete wenig später den Konfuzianismus
mit der Forderung der Unterordnung des Weibes unter den
Mann, um fortan Söhne zu zeugen. Die Ehe wurde zur
Pflicht. Die Jungfernschaft der Braut musste spätestens
in der Hochzeitsnacht bewiesen werden. In
Indien entstand zur gleichen Zeit der Buddhismus des erleuchteten
Prinzen Siddartha (Buddha bedeutet Erleuchteter), und
der Jainismus des Mahariwa, der "Jina" genannt
wurde, was "Der Sieger" bedeutete. Die Männer
hatten mit ihren heiligen Schriften den Sieg errungen.
Für
den Zeitraum zwischen dem achten und dem zweiten Jahrhundert
vor unserer Zeitrechnung prägte später der Philosoph
Karl Jaspers (1883-1969) den Begriff "Achsenzeit",
weil es unabhängig voneinander in allen bedeutenden
Religionen der Welt zu Erneuerungen in den Denkstrukturen
kam. Die
neuen religiösen Systeme spiegelten die veränderten
ökonomischen und sozialen Verhältnisse wider.
Es war der Beginn der Marktwirtschaft. Die Macht ging
von den Tempelpriestern und Königen auf die Kaufleute
über. Der Reichtum führte zu einer kulturellen
Blüte und zur Entwicklung eines individuellen Gewissens.
Die Menschen erkannten nun, dass nicht allein die Götter
ihr Geschick bestimmten, sondern auch ihr eigenes Verhalten.
Es gab mehr Wohlstand als früher und gleichzeitig
mehr arme Menschen. Die Religionen wollten sich für
soziale Gerechtigkeit einsetzen.
Zwischen
den westlichen und östlichen Religionen gab es dennoch
einen grundlegenden Unterschied: Im Osten wurde bereits
in den frühen Upanishaden des indischen Brahmanismus
das immerwährende göttliche Mysterium Brahman
in jedem Individuum wiedererkannt und Atman genannt.
Atman/Brahman war weder männlich noch weiblich. Es
war Alles in Allem und brauchte keine Dankgebete. Eine
Sünde konnte es nicht beleidigen.
Die Religionsstifter des Westens dagegen trennten Gott
von den Menschen und verbannten ihn als "lieben Gott"
in den Himmel, um den "Widersacher" präsentieren
zu können, den Teufel der bekämpft werden musste.
Während
die Menschen im Osten das Atman-Prinzip und das Karma-Gesetz,
mit seiner "automatisch funktionierenden Vergeltungskausalität
der Taten", als Weg zur Entwicklung eines individuellen
Gewissens erkannten, um über die Götter hinauszuwachsen,
diktierten im Westen die Stellvertreter Gottes auf Erden
den Gläubigen das Gesetz von Ursache und Wirkung
weiter mit Zuchtriemen und Peitsche. Sie sollten sich
für den Herrgott entscheiden und gegen die weiblichen
Teufel.
Neue
Bücher wurden geschrieben und immer neue Mythen erfunden,
um die alten Wahrheiten zu verschleiern. Aus diesem reichen
Quellenmaterial entstanden später die "Heiligen
Schriften" der Christenheit.
Der Gott blieb derselbe. Aus Jahwe, dem Einen und Ewigen
Herrn der Juden, wurde Kyrios, der gnadenlose Herrgott
der Christen, und später Alláh, der unsichtbare
Meister der Muslime. Sie forderten alle das Gleiche: Unterwerfung
unter den Willen Gottes und die Unterordnung der Frau
unter den Mann. Die Menschen sollten glauben, dass sie
schlecht waren. Das Böse steckte im Ungehorsam, im
Eigenwillen, in der Materie, in der Erde. Gott
wohnte deshalb hoch oben im Himmel, weil die Erde, und
alles was auf ihr lebte, dem Teufel unterstand, dem Widersacher
des Herrn, dem Versucher zur unanständigen Lust,
der zwischen den Beinen der Männer wohnte und in
den Herzen der Frauen.
Der
christliche Kirchenvater Origenes (185 - 254) hatte sich
während seines Eremitendaseins nie gewaschen, aus
Angst, sich dabei selbst zu berühren und so den Satan
zu wecken. Er flüchtete vor den Frauen in die Wüste
und hielt sich Klapperschlangen vors Gemächt, um
den Teufel mit Beelzebub auszutreiben, aber die Klapperschlangen
mochten das nicht. Sie waren mit Tränen in den Augen
zusammengebrochen, hatten einfach schlapp gemacht.
*
Kris
nahm erstmal einen Schluck Kakao und einen Zug von der
Tüte. Elise musste grinsen. Die Erfindung der Heiligen
Schrift und des Teufels sei also eine Trotzreaktion frustrierter
Männer auf das vermeintlich erlittene Unrecht in
matriarchalischen Zeiten gewesen. So, so.
Kris war ganz sicher, dass es sich so abspielte. Bereits
die Erfindung des Rades vor 5500 Jahren sei eine Antwort
der Männer auf die Zeit der Misshandlung durch ihre
Frauen gewesen. Geradezu eine Kriegserklärung. Nie
wieder sollte ein Mann von Wölfen gehetzt im Kreise
herumlaufen. Das hatten sie geschworen. Der
liegende Kreis, dieses verhasste Symbol der weiblichen
Macht und Vollkommenheit wurde schließlich aufgerichtet
und mit einem Phallus durchbohrt, um von nun an als Rad
die Lasten der Welt zu tragen.
Mit
dem Rad hatten die Männer auch den Krieg erfunden.
Kris meinte das ernst. Die Erfindung des Rades sei eine
symbolische Rache der Männer an den Frauen gewesen.
Das könne man auch an den Grundmauern der prähistorischen
Tempel erkennen. Da, wo allein die Frauen das sagen hatten,
waren die Grundrisse der Tempel rund. Kris sprach von
den Kleeblatttempeln auf Malta, den Steinbauten in Simbabwe,
und den vielen Henge-Monumenten in England. Zum Beispiel
Stonehenge.
Erst durch die Erfindung der heiligen Schriften seien
die Tempel eckig geworden und die Götter männlich.
Kris
fand seine Theorie überzeugend. Wir sollten ihm das
Gegenteil beweisen.
Alle Schriftreligionen seien letztendlich
frauenfeindlich, lebensfremd und menschenverachtend. Die
Männer hätten sich in den heiligen Schriften
den Frust von der Seele geschrieben. Wir sollten einfach
mal beachten, wann nach Auffassung der jüdisch-christlichen
Tradition die Welt erschaffen wurde. Das
sei nach der Rechnung des anglikanischen Erzbischofs James
Ussher (1580-1656) im Jahre 4004 "vor Christus"
gewesen, an einem Montag um 9 Uhr morgens, und nach dem
jüdischen Kalender im Jahr 3761 vor unserer Zeitrechnung,
also genau zu der Zeit, als im Zweistromland die Pflug-
und Rind-Revolution mit ihrer Überflussproduktion
zur Erfindung des Staates, der Regierungen und der steuerlichen
Abgaben führte, um die ständig anwachsende unproduktive
Beamtenschar zu ernähren.
Diese
Zeit vor knapp 6000 Jahren sei nicht nur der Beginn der
sogenannten Zivilisation gewesen, sondern auch der Beginn
der männlichen Vorherrschaft und der Anfang vom Ende
des Matriarchats. Der ideale Zeitpunkt, einen männlichen
Herrgott die Welt erschaffen zu lassen. Die heiligen Schriften
dienten als Propagandamaterial, um das Märchen zu
verbreiten, die Menschen seien unfähig und bedürften
der Hilfe eines mächtigen Staates. Schließlich
gab es keinen vernünftigen Grund, Menschen dafür
bezahlen zu lassen, dass andere sie beherrschten. Auch
mit Gewalt ließ sich diese verrückte Idee nicht
durchsetzen.
Die Regierigen mussten Göttergeschichten erfinden
und das Gottesgnadentum, um ihr Schmarotzerdasein zu rechtfertigen.
Letztlich seien alle Regierungen und alle Religionen der
Welt nichts anderes als kriminelle Vereinigungen, die
von der Blödheit ihrer Gläubigen lebten.
Kris
wies auf eine Merkwürdigkeit hin, im Zusammenhang
mit unserer Bücherfracht. Früher im Mittelalter,
als kaum jemand lesen konnte, seien viele Bücher
bei Strafe verboten gewesen, so wie unsere verbotenen
Bücher, die ebenfalls für Analphabeten bestimmt
waren. Im heutigen Europa dagegen, zumindest in England,
sei jedes Buch über jedes Thema frei erhältlich. Jeder
könne dort nachlesen, wie die Religionen und Staatssysteme
erfunden wurden und ihre Existenz gerechtfertigt wird.
Dennoch würden die gebildeten Menschen an den gleichen
Gott und den gleichen Teufel glauben wie die Analphabeten,
als habe es diese Bücher nie gegeben. Es sei eben
einfacher zu glauben und seine vermeintliche Pflicht zu
tun, als sich rund um die Uhr selbst zu regieren.
Kris
kannte so viele kluge Menschen, die unter den religiösen
Wahnvorstellungen von Schuld und Sünde litten. Er
konnte nicht verstehen, warum diese Leute trotz ihrer
Intelligenz nie auf die Idee gekommen waren, sich über
die Entstehungsgeschichte dieser unglücklich machenden
Glaubensvorstellungen zu informieren. Jeder,
der es wissen wolle, könne heutzutage durch den Besuch
einer halbwegs gut sortierten Bibliothek herausfinden,
dass sämtliche Religionen zum Zwecke der Machtausübung
frei erfunden wurden.
Zuerst in den schriftlosen, magischen Kulten der Frauen
und später in den heiligen Schriften der Männer.
Wir sollten uns langsam von diesen verrückten Vorstellungen
befreien und erwachsen werden. Hilf dir selbst, dann hilft
dir Gott!
Um stimmig zu leben, bräuchte der Mensch weder künstliche
Gesetze, noch die Horrorvisionen psychotischer Propheten,
sondern lediglich ein offenes Herz und einen klaren Verstand.
Wenn Gott die Liebe und das Leben war, dann gab es keinen
Grund, das Göttliche zu fürchten. Der "Fürchtegott"
sei ein Phänomen der heiligen Schriften.
Bei
den schriftlosen Völkern Afrikas, klangen die Schöpfungsgeschichten
viel menschlicher und humorvoller. Momo kannte die verschiedensten
Versionen.
So lag nach Ansicht der Westafrikaner der Himmel früher
sehr viel niedriger, damit der Allerhöchste ganz
in der Nähe der Menschen wohnen konnte, bis eines
Tages eine Frau beim Hirsestampfen zu weit ausholte und
dem Ewigen das Stößelende ins Auge stieß,
woraufhin Gott sich im Zorn entfernte und den Himmel höher
legte, um den Menschen nie wieder nahezukommen.
Das war die westafrikanische Erbsünde: Der Stößelstoß
der unbeherrschten Jungfrau.
In
einer Schöpfungsgeschichte aus Togo, die Kris in
unseren Büchern gefunden hatte, ging es um die Erschaffung
der Frau. Die Menschen vom Stamm der Ewe glaubten, dass
Gott den Körper des Menschen immer wieder neu aus
Erde bildete, aus feuchtem Ton. War der Ton schlecht,
so entstanden schlechte Menschen daraus. Aus
gutem Ton entstanden gute Menschen. Die Seele der Menschen
galt als unsterblich. Die gab es bereits vor dem Körper.
Die Seelen brachten Gott den Ton, wenn sie sich verkörpern
wollten. Dabei kam es häufig vor, dass eine Frauenseele,
die sich auf den Weg machte, um Ton zu holen, von einer
andere Frauenseele darum gebeten wurde, ihr etwas Tonerde
mitzubringen. Aus dem Tonanteil der Frauenseelen, die
von Gott geschickt waren, bildete er die fleißigen
Frauen, aus dem Rest die faulen.
*
Während
Kris begeistert erzählte, versank die Sonne hinter
der Stückgutpier. Die Petroleumlampe wurde angezündet.
Momo kochte Kakao. Er hatte den Verdacht, dass es sich
bei den Göttern um Aliens gehandelt haben könnte.
Die Geschichten von UFOs seien nicht weniger glaubwürdig,
als die Geschichten von Jesus und Alláh, oder die
Erkenntnisse der Naturwissenschaft. Wenn alle Menschen
von Adam und Eva abstammten, dann wären doch alle
Menschen weiß. Wenn aber Afrika die Wiege der Menschheit
war, müssten alle Menschen schwarz sein. Woher kamen
die vielen verschiedenen Völker und Rassen? Die vielen
verschiedenen Farben? Woher kam das Leben? Es gab so viele
Phänomene, die von der Wissenschaft bislang nicht
befriedigend erklärt wurden.
Er
stellte den Herd ab und rührte den Kakao schaumig
auf. Die Becher wurden frisch gefüllt und ein "J"
angezündet. Die Welt war auch ohne rationale Erklärung
schön. Irgendwann würde die Wahrheit so oder
so ans Licht kommen, ob es nun Götter waren, oder
Außerirdische, die der Menschheit das Lesen und
Schreiben beigebracht hatten.
Kris
wollte nicht so lange warten. Er war von Natur aus neugierig
und offen für neue Erklärungsmodelle. Wahrscheinlich
sei das Leben eine Art Glaubensmaschine, wo jeder das
erlebt, was er glaubt. Wir sollten uns das einmal vorstellen.
Dann hätte jede Religion und jede verrückte
Weltanschauung ihre Berechtigung. Dann ließe sich
alles rechtfertigen. Sowohl die Herrschaftssysteme, als
auch die Widerstandsbewegungen.
Um wirklich frei zu werden, müssten
wir uns vom Glauben zum Wissen erheben. Jeder Glaubenssatz,
jedes Dogma diene der geistigen Reife seiner Anhänger.
Letztlich seien wir selbst die Götter, die in Gedanken
permanent Geschichten erfinden und so das Buch ihres Lebens
schreiben, das Drama ihres eigenen Schicksals. Das Böse
sei lediglich eine Form von Dummheit. Mit Gott oder Teufeln
habe das nichts zu tun. Allein die Tatsache, dass die
Religionen sich untereinander bekämpften, sei der
Beweis dafür, dass sie frei erfunden wurden.
Elise
zweifelte noch. Sie wollte sich selbstverständlich
von den religiösen Zwängen emanzipieren, aber
langsam, Schritt für Schritt. Sie hatte verschiedene
Bücher über die Herkunft des Menschen durchgearbeitet.
Dabei waren ihr Unstimmigkeiten aufgefallen. Seltsame
Entwicklungssprünge, die nicht mit der Evolution
erklärt werden konnten. Die sogar im Widerspruch
zu den Gesetzen der Evolution standen. Warum sollte sich
aus einem perfekt an seine Umgebung angepassten Affen
ein schwächlicher, hilfsbedürftiger Mensch entwickeln? Es
gab keinen Beweis dafür, dass der Mensch vom Affen
abstammte. Den Forschern fehlten verschiedene Glieder
in der Kette der Beweisführung. Der Mensch stammte,
wenn überhaupt, dann nur zum Teil vom Affen ab. Da
hatte jemand nachgeholfen. Aber wer, wenn nicht Gott oder
die Götter?
Auch
Roy war nicht sicher, ob man den Glauben an höhere
Mächte so einfach über Bord werfen sollte. Im
Kern einer jeden Religion stecke doch letztlich die gleiche
Wahrheit.
Kris
wollte wissen, welche Wahrheit. Dass sie alle frei erfunden
waren? Wir sollten uns daran erinnern, dass es vor der
Erfindung der Religionen und Regierungsysteme keine Kriege
gab auf der Erde, und keine Not. Seit 6000 Jahren werde
die Menschheit von verrückten Regierungen und Religionen
terrorisiert. Das sei die einzige gemeinsame Wahrheit
all dieser buchgebundenen Glaubenssysteme.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors
Copyright
Raphael Rabenherz
Copyright
Foto Elise: ongha
http://rabenherz.com
raphael@rabenherz.com
|