Bilder Ge-
schichten
Atelier
Göttinnen
und
Religionen
Rezepte Sex Links
zur Kunst
Kontakt

Der Blues der Bücher
http://rabenherz.com
Die liebevoll erzählte Seefahrtgeschichte vom "schwimmenden Fiasko der 70er Jahre"
Bilder und Texte von Raphael Rabenherz

Der Stößelstoß der unbeherrschten Jungfrau :o)

 

 

 

Abenteuer Afrika
Der Kakerlakenkrieg
Essen ist zum Teilen da
Geheimnis der Männerherrschaft I
Geheimnis der Männerherrschaft II
Geheimnis der Männerherrschaft III

special

 

Elise
Elise

"Der Blues der Bücher" erzählt von der Kunst, sich selbst zu beherrschen.

Männerherrschaft III

alles geregelt

das weiße Kamel

Jungfraugeburten

Achsenzeit

Gott im Himmel

neue Bücher

Rache der Männer

an einem Montag

Märchen

einfacher zu glauben

Schöpfungsgeschichten

UFOs

geistige Reife

Zweifel

welche Wahrheit?

 

 

 

 

 

Der größte und letzte aller Propheten regelte alles ganz genau. Die Körper der Frauen sollten von nun an verschleiert werden, um endgültig Schluss zu machen, mit der sexuellen Magie der großen Göttin.
Den triebhaften Männern wurde die Idee der Sünde erklärt und die Zeit zum Nachdenken gestohlen, durch zwanghaftes Rezitieren der Weisheiten des Propheten, die, wie eine Hypnoseformel, immer wieder auf die gleiche Aussage hinausliefen: Dass es keinen Gott gab außer Alláh.

Dem christlichen Vorbild folgend, sollten die Ungläubigen mit dem Schwert bekehrt werden, um danach für immer und ewig in der Hölle zu schmoren. Den Gläubigen aber wurden Húris im Paradies versprochen, schöne Jungfrauen, die sie nach ihrem Tode ellenlang begatten durften, wenn sie sich zu Lebzeiten dem Willen Gottes unterwarfen.

Im Jahr 638 unserer Zeitrechnung, sechs Jahre nach dem Tod des Propheten, zog Kalif Omar I. auf einem weißen Kamel in Jerusalem ein. Die heilige Stadt der Juden und Christen wurde zum religiösen Zentrum aller drei großen Buchreligionen, die auch Abrahamsreligionen genannt werden, weil sowohl Juden, als auch Christen und Muslime sich als Nachkommen des Stammvaters Abraham betrachten, der vor knapp 4000 Jahren Mesopotamien verließ, um in das Land Kanaan zu ziehen, das später von den Griechen, nach den dort lebenden Philistern, den Namen Palästina erhielt.
Das semitische Wort Kanaan bedeutete "Purpurland". Kanaan war das Land, wo die Purpurschnecken wohnten. Abraham hieß soviel wie: "Vater der Menge". Der Name seiner Frau Sara bedeutete "Herrin". Sara war die Herrin der Kinder Abrahams. So stand es in der Heiligen Schrift (Genesis).

Weil Mohammed als Analphabet großen Respekt vor Büchern und Schriftgelehrten hatte, durften die Christen und Juden bei den Eroberungszügen im Namen Alláhs, wegen ihres Glaubens an einen einzigen Gott, und wegen ihrer Schriften als "Völker des Buches" (ahl al-kitab) bezeichnet, gegen die Zahlung einer Kopfsteuer ihren Glauben und das Recht auf freie wirtschaftliche Entfaltung behalten. So stand es geschrieben.

Es gab aber auch die anderen Geschichten, nach denen bei der Eroberung Persiens durch die Anhänger des Propheten das gesamte persische Schrifttum vernichtet wurde. Denn, wenn es nur noch einen Gott und einen Propheten gab, dann sollte es auch nur noch ein einziges Buch geben. Den Koran (al-kur'án = das zu Rezitierende), der rezitiert werden musste. Auf dem Berg Zion in Jerusalem, dem Allerheiligsten der Juden, wo einst der Tempel Salomons stand, wuchs nun der Felsendom empor (691/692), als bedeutendstes Heiligtum der islamischen Welt neben Mekka und Medina.

Drei Jahre nach Jerusalem unterlag das ägyptische Alexandria (641/642) den islamischen Eroberern. Dabei fiel auch die große königliche Bibliothek in die Hände der Muslime. Auf die Bitte, die Bücher zu erhalten, hatte Kalif Omar geantwortet: Wenn diese Bücher mit dem Buch Gottes übereinstimmten, so seien sie nutzlos und müssten nicht erhalten werden. Es gebe ja bereits den Koran.
Wenn aber diese Bücher nicht mit dem Koran übereinstimmten, so müssten sie ohnehin vernichtet werden. Angeblich verteilten sie sämtliche Schriftrollen an die 4000 Bäder der Stadt, um sie dort zu verheizen. Es dauerte sechs Monate, bis die letzte Schriftrolle verbrannt und das literarische Erbe der Antike vernichtet war.

Letztlich mussten sich alle eroberten Völker dem Willen des größten und letzten aller Propheten unterwerfen. Widerspruch war ihm ein Gräuel. Vielleicht hatte er sich deshalb auch mit einer 6 jährigen (A'isha) verlobt und sie mit neun Jahren entjungfert. Da war er bereits 50 Jahre alt. Zu seinem Harem gehörten neun Frauen, zwei Konkubinen und Sklavinnen zum Vernaschen zwischendurch.

*

Wahrscheinlich lag es am Regenwetter, am November oder der allgemeinen Niedergeschlagenheit, dass in Lomé an Bord der Golden Harvest soviel über Gott und die Welt gesprochen wurde. Kris machte uns auf ein paar Besonderheiten bei der Entstehung der Religionen aufmerksam. Eine bemerkenswerte Gleichzeitigkeit in Ost und West, die unmöglich auf Absprachen beruhen konnte.

Kurz nachdem in Babylon die Hammurabi-Gesetze herauskamen, wurde in Indien vor 3600 Jahren mit dem Rigveda des Vedismus der Hinduismus begründet, als älteste Religion der Welt. Vorher gab es sowas nicht.
Tausend Jahre später kam es dann in der Mitte des 6. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung sowohl im Westen als auch im Osten zu einer religiösen Aufbruchsbewegung, die sich wie eine Flutwelle über die Erde ergoß, als hätte ein Zeitgeist das Kommando gegeben.

Innerhalb von nur 50 Jahren (550 - 500 v. u. Z.) entstanden überall auf der Welt unabhängig voneinander die verschiedenartigsten Religionen. Im alten Iran der Zoroastrismus, in Israel der Judaismus, und in Italien die geniale Numerologie des griechischen Philosophen Pythagoras (570 - 496 v. u. Z.) In China wurde Lao Tse (alter Meister) (604 - 517 v. u. Z.) von einer Jungfrau geboren, um der Menschheit, mit Hilfe des Taoismus, den Weg zu weisen. Das Wort "Tao" bedeutete "Weg".
Konfuzius begründete wenig später den Konfuzianismus mit der Forderung der Unterordnung des Weibes unter den Mann, um fortan Söhne zu zeugen. Die Ehe wurde zur Pflicht. Die Jungfernschaft der Braut musste spätestens in der Hochzeitsnacht bewiesen werden.
In Indien entstand zur gleichen Zeit der Buddhismus des erleuchteten Prinzen Siddartha (Buddha bedeutet Erleuchteter), und der Jainismus des Mahariwa, der "Jina" genannt wurde, was "Der Sieger" bedeutete. Die Männer hatten mit ihren heiligen Schriften den Sieg errungen.

Für den Zeitraum zwischen dem achten und dem zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung prägte später der Philosoph Karl Jaspers (1883-1969) den Begriff "Achsenzeit", weil es unabhängig voneinander in allen bedeutenden Religionen der Welt zu Erneuerungen in den Denkstrukturen kam.
Die neuen religiösen Systeme spiegelten die veränderten ökonomischen und sozialen Verhältnisse wider. Es war der Beginn der Marktwirtschaft. Die Macht ging von den Tempelpriestern und Königen auf die Kaufleute über. Der Reichtum führte zu einer kulturellen Blüte und zur Entwicklung eines individuellen Gewissens. Die Menschen erkannten nun, dass nicht allein die Götter ihr Geschick bestimmten, sondern auch ihr eigenes Verhalten. Es gab mehr Wohlstand als früher und gleichzeitig mehr arme Menschen. Die Religionen wollten sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen.

Zwischen den westlichen und östlichen Religionen gab es dennoch einen grundlegenden Unterschied: Im Osten wurde bereits in den frühen Upanishaden des indischen Brahmanismus das immerwährende göttliche Mysterium Brahman in jedem Individuum wiedererkannt und Atman genannt.
Atman/Brahman war weder männlich noch weiblich. Es war Alles in Allem und brauchte keine Dankgebete. Eine Sünde konnte es nicht beleidigen.
Die Religionsstifter des Westens dagegen trennten Gott von den Menschen und verbannten ihn als "lieben Gott" in den Himmel, um den "Widersacher" präsentieren zu können, den Teufel der bekämpft werden musste.

Während die Menschen im Osten das Atman-Prinzip und das Karma-Gesetz, mit seiner "automatisch funktionierenden Vergeltungskausalität der Taten", als Weg zur Entwicklung eines individuellen Gewissens erkannten, um über die Götter hinauszuwachsen, diktierten im Westen die Stellvertreter Gottes auf Erden den Gläubigen das Gesetz von Ursache und Wirkung weiter mit Zuchtriemen und Peitsche. Sie sollten sich für den Herrgott entscheiden und gegen die weiblichen Teufel.

Neue Bücher wurden geschrieben und immer neue Mythen erfunden, um die alten Wahrheiten zu verschleiern. Aus diesem reichen Quellenmaterial entstanden später die "Heiligen Schriften" der Christenheit.
Der Gott blieb derselbe. Aus Jahwe, dem Einen und Ewigen Herrn der Juden, wurde Kyrios, der gnadenlose Herrgott der Christen, und später Alláh, der unsichtbare Meister der Muslime. Sie forderten alle das Gleiche: Unterwerfung unter den Willen Gottes und die Unterordnung der Frau unter den Mann. Die Menschen sollten glauben, dass sie schlecht waren. Das Böse steckte im Ungehorsam, im Eigenwillen, in der Materie, in der Erde.
Gott wohnte deshalb hoch oben im Himmel, weil die Erde, und alles was auf ihr lebte, dem Teufel unterstand, dem Widersacher des Herrn, dem Versucher zur unanständigen Lust, der zwischen den Beinen der Männer wohnte und in den Herzen der Frauen.

Der christliche Kirchenvater Origenes (185 - 254) hatte sich während seines Eremitendaseins nie gewaschen, aus Angst, sich dabei selbst zu berühren und so den Satan zu wecken. Er flüchtete vor den Frauen in die Wüste und hielt sich Klapperschlangen vors Gemächt, um den Teufel mit Beelzebub auszutreiben, aber die Klapperschlangen mochten das nicht. Sie waren mit Tränen in den Augen zusammengebrochen, hatten einfach schlapp gemacht.

*

Kris nahm erstmal einen Schluck Kakao und einen Zug von der Tüte. Elise musste grinsen. Die Erfindung der Heiligen Schrift und des Teufels sei also eine Trotzreaktion frustrierter Männer auf das vermeintlich erlittene Unrecht in matriarchalischen Zeiten gewesen. So, so.
Kris war ganz sicher, dass es sich so abspielte. Bereits die Erfindung des Rades vor 5500 Jahren sei eine Antwort der Männer auf die Zeit der Misshandlung durch ihre Frauen gewesen. Geradezu eine Kriegserklärung. Nie wieder sollte ein Mann von Wölfen gehetzt im Kreise herumlaufen. Das hatten sie geschworen.
Der liegende Kreis, dieses verhasste Symbol der weiblichen Macht und Vollkommenheit wurde schließlich aufgerichtet und mit einem Phallus durchbohrt, um von nun an als Rad die Lasten der Welt zu tragen.

Mit dem Rad hatten die Männer auch den Krieg erfunden. Kris meinte das ernst. Die Erfindung des Rades sei eine symbolische Rache der Männer an den Frauen gewesen. Das könne man auch an den Grundmauern der prähistorischen Tempel erkennen. Da, wo allein die Frauen das sagen hatten, waren die Grundrisse der Tempel rund. Kris sprach von den Kleeblatttempeln auf Malta, den Steinbauten in Simbabwe, und den vielen Henge-Monumenten in England. Zum Beispiel Stonehenge.
Erst durch die Erfindung der heiligen Schriften seien die Tempel eckig geworden und die Götter männlich.

Kris fand seine Theorie überzeugend. Wir sollten ihm das Gegenteil beweisen.
Alle Schriftreligionen seien letztendlich frauenfeindlich, lebensfremd und menschenverachtend. Die Männer hätten sich in den heiligen Schriften den Frust von der Seele geschrieben. Wir sollten einfach mal beachten, wann nach Auffassung der jüdisch-christlichen Tradition die Welt erschaffen wurde.
Das sei nach der Rechnung des anglikanischen Erzbischofs James Ussher (1580-1656) im Jahre 4004 "vor Christus" gewesen, an einem Montag um 9 Uhr morgens, und nach dem jüdischen Kalender im Jahr 3761 vor unserer Zeitrechnung, also genau zu der Zeit, als im Zweistromland die Pflug- und Rind-Revolution mit ihrer Überflussproduktion zur Erfindung des Staates, der Regierungen und der steuerlichen Abgaben führte, um die ständig anwachsende unproduktive Beamtenschar zu ernähren.

Diese Zeit vor knapp 6000 Jahren sei nicht nur der Beginn der sogenannten Zivilisation gewesen, sondern auch der Beginn der männlichen Vorherrschaft und der Anfang vom Ende des Matriarchats. Der ideale Zeitpunkt, einen männlichen Herrgott die Welt erschaffen zu lassen. Die heiligen Schriften dienten als Propagandamaterial, um das Märchen zu verbreiten, die Menschen seien unfähig und bedürften der Hilfe eines mächtigen Staates. Schließlich gab es keinen vernünftigen Grund, Menschen dafür bezahlen zu lassen, dass andere sie beherrschten. Auch mit Gewalt ließ sich diese verrückte Idee nicht durchsetzen.
Die Regierigen mussten Göttergeschichten erfinden und das Gottesgnadentum, um ihr Schmarotzerdasein zu rechtfertigen. Letztlich seien alle Regierungen und alle Religionen der Welt nichts anderes als kriminelle Vereinigungen, die von der Blödheit ihrer Gläubigen lebten.

Kris wies auf eine Merkwürdigkeit hin, im Zusammenhang mit unserer Bücherfracht. Früher im Mittelalter, als kaum jemand lesen konnte, seien viele Bücher bei Strafe verboten gewesen, so wie unsere verbotenen Bücher, die ebenfalls für Analphabeten bestimmt waren. Im heutigen Europa dagegen, zumindest in England, sei jedes Buch über jedes Thema frei erhältlich.
Jeder könne dort nachlesen, wie die Religionen und Staatssysteme erfunden wurden und ihre Existenz gerechtfertigt wird. Dennoch würden die gebildeten Menschen an den gleichen Gott und den gleichen Teufel glauben wie die Analphabeten, als habe es diese Bücher nie gegeben. Es sei eben einfacher zu glauben und seine vermeintliche Pflicht zu tun, als sich rund um die Uhr selbst zu regieren.

Kris kannte so viele kluge Menschen, die unter den religiösen Wahnvorstellungen von Schuld und Sünde litten. Er konnte nicht verstehen, warum diese Leute trotz ihrer Intelligenz nie auf die Idee gekommen waren, sich über die Entstehungsgeschichte dieser unglücklich machenden Glaubensvorstellungen zu informieren.
Jeder, der es wissen wolle, könne heutzutage durch den Besuch einer halbwegs gut sortierten Bibliothek herausfinden, dass sämtliche Religionen zum Zwecke der Machtausübung frei erfunden wurden.
Zuerst in den schriftlosen, magischen Kulten der Frauen und später in den heiligen Schriften der Männer. Wir sollten uns langsam von diesen verrückten Vorstellungen befreien und erwachsen werden. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott!
Um stimmig zu leben, bräuchte der Mensch weder künstliche Gesetze, noch die Horrorvisionen psychotischer Propheten, sondern lediglich ein offenes Herz und einen klaren Verstand. Wenn Gott die Liebe und das Leben war, dann gab es keinen Grund, das Göttliche zu fürchten. Der "Fürchtegott" sei ein Phänomen der heiligen Schriften.

Bei den schriftlosen Völkern Afrikas, klangen die Schöpfungsgeschichten viel menschlicher und humorvoller. Momo kannte die verschiedensten Versionen.
So lag nach Ansicht der Westafrikaner der Himmel früher sehr viel niedriger, damit der Allerhöchste ganz in der Nähe der Menschen wohnen konnte, bis eines Tages eine Frau beim Hirsestampfen zu weit ausholte und dem Ewigen das Stößelende ins Auge stieß, woraufhin Gott sich im Zorn entfernte und den Himmel höher legte, um den Menschen nie wieder nahezukommen.
Das war die westafrikanische Erbsünde: Der Stößelstoß der unbeherrschten Jungfrau.

In einer Schöpfungsgeschichte aus Togo, die Kris in unseren Büchern gefunden hatte, ging es um die Erschaffung der Frau. Die Menschen vom Stamm der Ewe glaubten, dass Gott den Körper des Menschen immer wieder neu aus Erde bildete, aus feuchtem Ton. War der Ton schlecht, so entstanden schlechte Menschen daraus.
Aus gutem Ton entstanden gute Menschen. Die Seele der Menschen galt als unsterblich. Die gab es bereits vor dem Körper. Die Seelen brachten Gott den Ton, wenn sie sich verkörpern wollten. Dabei kam es häufig vor, dass eine Frauenseele, die sich auf den Weg machte, um Ton zu holen, von einer andere Frauenseele darum gebeten wurde, ihr etwas Tonerde mitzubringen. Aus dem Tonanteil der Frauenseelen, die von Gott geschickt waren, bildete er die fleißigen Frauen, aus dem Rest die faulen.

*

Während Kris begeistert erzählte, versank die Sonne hinter der Stückgutpier. Die Petroleumlampe wurde angezündet. Momo kochte Kakao. Er hatte den Verdacht, dass es sich bei den Göttern um Aliens gehandelt haben könnte. Die Geschichten von UFOs seien nicht weniger glaubwürdig, als die Geschichten von Jesus und Alláh, oder die Erkenntnisse der Naturwissenschaft. Wenn alle Menschen von Adam und Eva abstammten, dann wären doch alle Menschen weiß. Wenn aber Afrika die Wiege der Menschheit war, müssten alle Menschen schwarz sein. Woher kamen die vielen verschiedenen Völker und Rassen? Die vielen verschiedenen Farben? Woher kam das Leben? Es gab so viele Phänomene, die von der Wissenschaft bislang nicht befriedigend erklärt wurden.

Er stellte den Herd ab und rührte den Kakao schaumig auf. Die Becher wurden frisch gefüllt und ein "J" angezündet. Die Welt war auch ohne rationale Erklärung schön. Irgendwann würde die Wahrheit so oder so ans Licht kommen, ob es nun Götter waren, oder Außerirdische, die der Menschheit das Lesen und Schreiben beigebracht hatten.

Kris wollte nicht so lange warten. Er war von Natur aus neugierig und offen für neue Erklärungsmodelle. Wahrscheinlich sei das Leben eine Art Glaubensmaschine, wo jeder das erlebt, was er glaubt. Wir sollten uns das einmal vorstellen. Dann hätte jede Religion und jede verrückte Weltanschauung ihre Berechtigung. Dann ließe sich alles rechtfertigen. Sowohl die Herrschaftssysteme, als auch die Widerstandsbewegungen.
Um wirklich frei zu werden, müssten wir uns vom Glauben zum Wissen erheben. Jeder Glaubenssatz, jedes Dogma diene der geistigen Reife seiner Anhänger. Letztlich seien wir selbst die Götter, die in Gedanken permanent Geschichten erfinden und so das Buch ihres Lebens schreiben, das Drama ihres eigenen Schicksals. Das Böse sei lediglich eine Form von Dummheit. Mit Gott oder Teufeln habe das nichts zu tun. Allein die Tatsache, dass die Religionen sich untereinander bekämpften, sei der Beweis dafür, dass sie frei erfunden wurden.

Elise zweifelte noch. Sie wollte sich selbstverständlich von den religiösen Zwängen emanzipieren, aber langsam, Schritt für Schritt. Sie hatte verschiedene Bücher über die Herkunft des Menschen durchgearbeitet.
Dabei waren ihr Unstimmigkeiten aufgefallen. Seltsame Entwicklungssprünge, die nicht mit der Evolution erklärt werden konnten. Die sogar im Widerspruch zu den Gesetzen der Evolution standen. Warum sollte sich aus einem perfekt an seine Umgebung angepassten Affen ein schwächlicher, hilfsbedürftiger Mensch entwickeln?
Es gab keinen Beweis dafür, dass der Mensch vom Affen abstammte. Den Forschern fehlten verschiedene Glieder in der Kette der Beweisführung. Der Mensch stammte, wenn überhaupt, dann nur zum Teil vom Affen ab. Da hatte jemand nachgeholfen. Aber wer, wenn nicht Gott oder die Götter?

Auch Roy war nicht sicher, ob man den Glauben an höhere Mächte so einfach über Bord werfen sollte. Im Kern einer jeden Religion stecke doch letztlich die gleiche Wahrheit.

Kris wollte wissen, welche Wahrheit. Dass sie alle frei erfunden waren? Wir sollten uns daran erinnern, dass es vor der Erfindung der Religionen und Regierungsysteme keine Kriege gab auf der Erde, und keine Not. Seit 6000 Jahren werde die Menschheit von verrückten Regierungen und Religionen terrorisiert. Das sei die einzige gemeinsame Wahrheit all dieser buchgebundenen Glaubenssysteme.


Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Copyright Raphael Rabenherz

Copyright Foto Elise: ongha

http://rabenherz.com

raphael@rabenherz.com

 

Letzte Aktualisierung Juni 2002