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Der Blues der Bücher
http://rabenherz.com
Die liebevoll erzählte Seefahrtgeschichte vom "schwimmenden Fiasko der 70er Jahre"
Bilder und Texte von Raphael Rabenherz

Elise wollte zunächst einmal fundamentale Fragen klären.

 

 

 

Abenteuer Afrika
Der Kakerlakenkrieg
Essen ist zum Teilen da
Geheimnis der Männerherrschaft I
Geheimnis der Männerherrschaft II
Geheimnis der Männerherrschaft III

special

 

Elise
Elise

"Der Blues der Bücher" erzählt von der Erfindung des männlichen Gottes, der Macht der "Heiligen Schrift" und der Kunst, sich selbst zu beherrschen.

Männerherrschaft I

Highway zur Hölle

Frau weniger wert

Übergang

Genmutation

Gott in den Frauen

Ursprung der Schrift

Gesetzbücher

Muttergöttin

eine Theorie

Anfänge

schöpferische Frauen

Himmelskönigin

die wilde Kuh

Tochter Gottes

die Drachin Tiamat

Ursprung aller Kultur

Antwort der Männer

 

Männerherrschaft II

Feuerzeichen

neue Götter

Enuma elisch

Auge um Auge

Gesetze

born to be wild

Ahura Mazda

Teufel und Hexen

Gut und Böse

Pandora

Hochgott Él

Alleinherrschaft

neue Geschichten

großer Gott

Beelzebub

schwer zu begreifen

Töchter Alláhs

satanische Verse

heiliger Krieg

 

Männerherrschaft III

alles geregelt

das weiße Kamel

Jungfraugeburten

Achsenzeit

neue Bücher

Gott im Himmel

Rache der Männer

an einem Montag

Märchen

einfacher zu glauben

Schöpfungsgeschichten

UFOs

geistige Reife

Zweifel

welche Wahrheit?

 

 

 

 

 

Sie hatte Zweifel an dem Gott ihrer Kindheit und den Göttern im allgemeinen.
Es gab so viele verschiedene widersprüchliche Glaubenssysteme, so viele Regeln und Gesetze. Was den einen der Himmel, das war den anderen die Hölle. Elise wusste nicht mehr, was sie glauben sollte. War Gott vielleicht nur eine menschliche Erfindung? Der Versuch, das Unbegreifliche in eine Schublade zu stecken, damit man nicht dauernd darüber stolperte?
Was war am Anfang? Das Wort oder der Big-Bang? Sie wollte das endlich klären. Wenn es tatsächlich einen richtigen Gott gab und jemand glaubte an den falschen, dann kam der doch hinterher in die Hölle, ohne zu wissen, warum. Wenn es aber überhaupt keinen Gott gab, dann gab es auch keinen Grund, sich schlecht zu fühlen und sich das Leben zu Hölle zu machen. Wir sollten uns das Problem einmal anhand von Zahlen vor Augen führen.
Auf der Erde seien im Moment knapp fünf Milliarden Menschen verkörpert, die mehr als fünfhundert verschiedenen religiösen Richtungen angehörten.

Angenommen, die Christen hätten den richtigen Gott, so, wie sie das behaupten. Dann würden doch alle Nichtchristen nach ihrem Abgang auf Ewig in der Hölle schmoren. Vier Milliarden Menschen. Und vermutlich würden selbst von den Christen 99% in der Hölle landen, wegen der Sexualität.

Bei den Moslems sei es genau das gleiche. Wenn der unsichtbare Alláh der einzige Gott wäre, so wie der Islam das behauptet, dann würden erneut vier Milliarden Ungläubige in der Hölle landen, und zusätzlich 99% der Moslems, wegen der Sexualität. Die Sexualität sei doch geradezu ein Highway zur Hölle.
Die Bedingungen für die Zulassung zum Paradies seien besonders für Frauen so unerreichbar, dass man meinen könnte, die Götter der großen Schriftreligionen seien in Wirklichkeit selbst die Herren der Hölle. Von früh bis spät darauf bedacht, unerfüllbare Gebote auszuklügeln und Fallen zu stellen, um ihre finsteren Gefilde mit frischen Sündern zu füllen.

Elise gingen die Widersprüche auf den Geist. Warum sollte der Mensch weniger wert sein als Gott, wenn er doch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurde. Warum sollte eine Frau weniger wert sein, als ein Mann? Warum sollte Gott überhaupt etwas minderwertiges erschaffen haben? Das sei doch verrückt. Wer hatte sich so etwas ausgedacht? Selbst wenn die religiösen Vorstellungen der Menschen nur Projektionen waren, wenn sich die Menschen ihre Götter selbst erdachten, woher kamen dann diese rigiden, die menschliche Natur verneinenden Gesetze in den heiligen Schriften? Diese Verteufelung der Sexualität und der mörderische Frauenhass?

Kris kannte ein paar Antworten:
Für Sigmund Freud (1856-1939) war Religion nichts anderes als "eine universale Zwangsneurose der Menschheit, der Zwangsneurose von Kindern vergleichbar".
Karl Marx (1818-1883) verglich die Religionen, aufgrund der Erfahrungen der französischen Revolution, sogar mit Opium. Religion sei Opium fürs Volk. Ein Betäubungsmittel für die Armen im Geiste.

Die religiösen Schriften der letzten 4000 Jahre stammten ganz sicher nicht von Gott, sondern waren menschliche Erfindungen der jeweiligen weltlichen Herrscher. Gesetzbücher auf primitivstem männlichen Niveau. Ein Zeugnis des Übergangs vom Matriarchat zum Patriarchat. Als die Frauen noch das Sagen hatten, gab es keine Gesetzbücher. Auch keine heiligen Schriften. Nur Musik und Tanz. Heilige Rhythmen und Klänge.

*

Im Anfang war das Wort noch bei Gott, bis es vor 45.000 Jahren infolge einer Genmutation bei einer kleinen Gruppe von Menschen zu einer "geistigen Revolution" auf der Erde kam: zur Entdeckung der Sprache. Der proto-moderne Mensch (Homo sapiens, sapiens) war plötzlich aufgetaucht, um den Neandertaler (Homo sapiens, heidelbergensis) zu verdrängen, der vor 34.000 Jahren plötzlich verschwand. So hatten wir es in der Schule gelernt.
Durch die Absenkung des Kehlkopfes bei ein paar proto-modernen, hochstirnigen Menschen, die einst aus Afrika zum Kaspischen Meer wanderten, entwickelten sich in einem Zeitraum von 5000 Jahren die verschiedensten Sprachen, die danach durch Wanderbewegungen in alle Welt getragen wurden.
Die sprachgewandten neuen Menschen waren durch ihr Kommunikationssystem den alten Neandertalern mit ihren unartikulierten Lauten so weit überlegen, dass der Neandertaler schließlich den Faustkeil abgeben musste.

Kris machte uns darauf aufmerksam, dass genau zu dieser Zeit der Expansion des modernen Menschen vor 40.000 Jahren Australien von Seefahrern besiedelt wurde. Mit der Sprache sei auch die Seefahrt zu den Menschen gekommen, und die Lust zu entdecken, was sich hinter dem Horizont befand.
Das Staunen und die Ehrfurcht vor den Wundern des Lebens wurden in Felszeichnungen und Höhlenbildern zum Ausdruck gebracht. Gott steckte in den wilden Tieren und später in den Frauen. Erst nach der Erfindung der Keilschrift in Mesopotamien und der Hieroglyphen in Ägypten vor etwas mehr als 5000 Jahren (3200 v. u. Z.), habe die Menschheit damit begonnen, männliche Götter zu erfinden und menschenverachtende Gesetzbücher zu schreiben, die das Weibliche und die Sexualität verteufeln.

Die Ursprünge der Schrift lagen in den einfachen Merkzeichen und tönernen Wertmarken der Schaf- und Ziegenhirten, die vor 10.000 Jahren, als es noch keine Zahlen gab, irgendwie ihre Herden zählen mussten. Noch älter waren die Knotenschnüre und Kerbhölzer, mit denen die verschiedensten Werte geordnet werden konnten. Die gab es bereits vor 300.000 Jahren.

Kris erzählte, dass in England die Steuerabrechnungen noch bis ins 19. Jahrhundert hinein auf Kerbhölzern verbucht wurden, den sogenannten "tallies". Als die tallies nach einer Reform der Buchhaltung 1834 in einem Ofen des Oberhauses verbrannt werden sollten, ging dabei das ganze Gebäude in Flammen auf.
Der Maler William Turner erlebte dieses Ereignis und verewigte den "Brand des Parlamentsgebäudes" in einem seiner Meisterwerke.

*

Gesetzbücher und heilige Schriften existierten bereits vor der Erfindung des Alphabets, so wie es den Kalender bereits vor Erfindung der Schrift gab. Das Kerbholz war der erste Kalender der Menschheit. Damals hatten die Menschen entdeckt, dass die Zeit kostbar war und sich damit handeln ließ.

Mit dem primitiven Kerbholz des Homo erectus fing vor 300.000 Jahren alles an. Die Geschichte der Zeit und die Geschichte der Schrift. Mit aus Ton geformten Wert- und Zählmarken der jungsteinzeitlichen Weidehirten entstand daraus vor etwa 10.000 Jahren ein vergleichsweise umfassendes Informationssystem, das erst 5000 Jahre später durch die Entwicklung der Keilschrift abgelöst wurde.
Nach der Erfindung der monatlichen Abgaben (Steuern) für die Tempel- und Palastwirtschaften der beginnenden städtischen Hochkulturen vor 5600 Jahren, drückten amtliche Priester diese Wertmarken der Hirten und Bauern wie Siegel in frischen Ton, sobald die Steuerschuld beglichen war. Später entstand aus dieser Eindrucktechnik die Keilschrift.

Die Erfindung der Schrift war ursprünglich eine kaufmännische Idee. Ein Buchführungssystem mit einer Vielzahl von Zeichen, aus denen schließlich durch Kreuzung mit anderen Buchführungssystemen vor 3000 Jahren in Palästina das Uralphabet entstand. Später entwickelte sich daraus das griechische (ca. 1000-600 v. u. Z.) und schließlich das römische Alphabet (ca. 600-300 v. u. Z.), von dem unsere modernen lateinischen Buchstaben abstammen.

Kris vertrat die Auffassung, bei der Erfindung der Schrift sei es in erster Linie um Macht und Geld gegangen. Der Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat sei ein jahrtausende währender Krieg der Geschlechter um die Macht gewesen, der mit Hilfe der Schrift geführt wurde, bis die Männer die Frauen dort hatten, wo sie sie haben wollten.
Anhand der archäologischen Befunde könne man erkennen, dass es vor der Erfindung der Schrift weltweit nur die große Muttergöttin gab. Die Menschen der vorgeschichtlichen Zeit hätten 20.000 Jahre lang immer wieder diese wundervollen weiblichen Figurinen hergestellt, mit den riesigen Brüsten und den gewaltigen Hinterteilen. Die Sexualität sei als etwas Heiliges verehrt und so oft wie möglich praktiziert worden.
Kris mochte diese prallen, prähistorischen Venusfiguren. Das sei bestimmt eine lustvolle Zeit gewesen. Elise verzog das Gesicht. Sie konnte sich das nicht vorstellen. Sie kam aus einem christlichen Elternhaus. Ihre Eltern waren Quäker. Da gab es keinen ungezügelten Sex. Für die Quäker war das Leben eine Aufgabe und kein Vergnügen.

*

Kris hatte eine Theorie, wie es zum Krieg der Geschlechter kam: Die Frauen hätten wahrscheinlich nach dem Ende der letzten Eiszeit vor 10.300 Jahren damit begonnen, ihre Männer zu unterdrücken und auszubeuten. Aus lauter Langeweile. Die Gletscher schmolzen dahin. Die Natur blühte plötzlich auf. Das Leben wurde leichter. Es gab wildes Getreide und essbare Tiere im Überfluss. Die Flüsse waren gefüllt mit Fischen. Handmühlen für Getreide wurden erfunden und die Keramik, um Vorräte zu halten in Gefäßen aus Ton.S
Die Menschen wurden zunehmend sesshaft. Es war nicht mehr notwendig, hinter der Nahrung herzulaufen. Die Männer konnten in Ruhe Fische fangen. Sie kannten bereits das Paddelboot, das Fischernetz und die Harpune (seit 10.000 v. u. Z.). Wahrscheinlich wurden sie schwächlich und fett.

Kris meinte, dass die Frauen sie zur Strafe nachts vor den Häusern an Pfählen festbanden. Ihr Geheul sollte die wilden Tiere anlocken. Ein alter Trick, mit dem sie bereits vor 12.000 Jahren den Wolf domestizierten. Die Männer waren ewig im Kreis herumgelaufen, hatten dabei Rache geschworen, geklagt und gemeckert, sodass später auch wilde Schafe und Ziegen herbeikamen. So sei durch die Klugheit der Frauen bereits vor etwa 10.700 Jahren (8700 v. u. Z.) erstmals das Schaf und die Ziege domestiziert worden, und vor 9500 Jahren das Schwein (7500 v. u. Z.).
So begann das Neolithikum, die Jung- oder Neusteinzeit (Vorderer Orient: ab 8000 v. u. Z. - Mittelmeerraum: 7000-2300 v. u. Z.). Die Menschen verließen ihre Höhlen und lebten in immer größeren Gruppen zusammen.

Vor 9000 Jahren entstanden die ersten dörflichen Gemeinschaften und später kleinere Städte. Das Rind erhielt seinen Platz im Stall. Es war der Beginn der Landwirtschaft. Der Anfang eines neuen Denkens, eines neuen Bewusstseins. Eine echte Revolution. Jäger und Sammler entwickelten sich innerhalb weniger Jahrtausende zu Hirten und Bauern.
Aus Opfern, die von den Zufälligkeiten der Natur lebten, wurden nun Schöpfer, die im Frühjahr einen Teil ihrer Nahrung in die Erde steckten, um im Herbst ein Vielfaches zu ernten.

Mit der Landwirtschaft hatten die Frauen auch die Kultur erfunden. Die wilde Natur wurde nun kultiviert. Die prallen Venusfiguren, die seit ewigen Zeiten gesichtslos dargestellt worden waren, bekamen zunehmend menschliche Gesichter und einen Stier an ihre Seite, oder ein Baby auf den Arm. Der Stier galt als Partner der großen Göttin, die für die Fruchtbarkeit der Gartenkulturen und der kleinen Herden zuständig war.
Kris meinte, der gehörnte Stier der Jungsteinzeit sei die erste archäologisch verbürgte, männliche Gottheit in der Geschichte der Menschheit.

Vor etwa 6000 Jahren kam es schließlich in Mesopotamien (Land zwischen den Flüssen) durch die Entwicklung der Milchwirtschaft und die Erfindung des Pfluges zu einer weiteren landwirtschaftlichen Revolution, der sogenannten "Rind-und-Pflug-Revolution", in deren Folge später die ersten städtischen Hochkulturen entstanden, die Städte Ur und Uruk in Sumer, dem Land der "Schwarzköpfe".

Die Männer mussten nun tagaus, tagein auf den Feldern arbeiten. So wurde die Maloche erfunden, aber die Männer wollten das nicht. Sie wussten noch, wie es früher gewesen war, als sie frei und stolz den wilden Tieren Fallen stellten.
Nun mussten sie von früh bis spät mit dem Pflug in der Hand den Hintern eines Rindviehs betrachten, um dann nach Feierabend ihren Matronen den Stier zu machen. So kam es, dass sie schließlich, durch das ewige Pflügen und Säen, ihre eigene Sexualität entdeckten, dass sie sexuelle Wesen waren, mit eigenen Interessen und Bedürfnissen, und der Macht, eigene Nachkommen zu zeugen. Die Frauen galten jahrtausendelang als Herrinnen über Leben und Tod, magische Wesen, aus denen auf wunderbare Weise immer neues Leben hervorkam.
Durch die regelmäßige Arbeit mit dem Pflug auf dem Feld, fiel dann bei den Männern zum Schluss der Groschen. Mit der Erfindung der Kultur hatten sich die Frauen ihr eigenes Grab geschaufelt. Mit der Erfindung der Schrift schufen sie sich den eigenen Grabstein. Das geschah vor rund 5000 Jahren. Vor dieser Zeit gab es nur Zählmarken und Merkzeichen und die Machtworte der göttlichen Matronen.

Barry wollte nicht glauben, dass die Schrift von den Frauen erfunden wurde. Dafür gebe es keinen Beweis. Auch Roy hatte Zweifel, doch Kris konnte seine Theorie erhärten. Eines der ältesten Schriftzeichen der Menschheit sei das Schilfbündel der sumerischen Himmelskönigin Inanna. Wenn wir schon an Götter glauben wollten, dann sollten wir uns an die Originale halten.

*

Mit der Erfindung der Keilschrift bekam die seit 20.000 Jahren verehrte große Muttergöttin erstmals einen Namen:
"Inanna", Königin des Himmels und der Erde.

Die sumerische Himmelskönigin Inanna und ihre große Familie war die eigentliche Kulturbringerin der Menschheit. Sie wurde auch die wilde Kuh genannt, als Hinweis auf ihre dunklen Seiten. Die Sternengöttinnen und Götter kamen damals von den Plejaden auf die Erde, um sich auf Kosten der Menschen ein schönes Leben zu machen. Sie hatten blaues Blut und eine blaue Hautfarbe.

Inanna machte sich einen Namen als Königin über Himmel und Erde. Sie war die Verkörperung der Herrin der Tiere und Pflanzen. Sämtliche Mythen und alle religiösen Vorstellung die später entstanden, waren entweder Plagiate dieser uralten Geschichte, oder Reaktionen darauf.
Über die Jahrtausende hinweg wurde sie als Liebes- und Todesgöttin verehrt, unter den verschiedensten Namen wie Ishtar, Astarte, Anath oder Aphrodite. Sie war Hathor und Isis, die göttliche Himmelskuh, Berchta und Freya, oder einfach nur die strahlende Priesterin alles Lebendigen, die leuchtende Venus, der Morgen- und der Abendstern, die heilige Himmelspriesterin und die Tochter des Mondes, die der Menschheit die Kultur gebracht hatte.

Die Männer lernten nun Lesen und Schreiben. Sie wurden in den Tempeln ausgebildet, in Wort und Schrift die Geheimnisse der Sexualität zu preisen, die heilige Hochzeit, die heiligen Huren, und die Geschichte der Himmelskönigin Inanna, der geliebten "Tochter Gottes" die auf die Erde kam, die Menschheit vom Leiden zu erlösen. Sie war hinabgefahren in die Unterwelt und hatte für die Liebe ihr Leben gelassen, um später wieder aufzuerstehen von den Toten.

Die Leidensgeschichte der Himmelskönigin Inanna wurde für die Nachwelt schriftlich festgehalten und ihre Liebeskunst als frohe Botschaft in Liedern besungen.
Inanna hatte der Menschheit das Bett gebracht, den Altar der Liebe, und das Freudenhaus. Inanna war alles in allem gewesen. Die abgewiesene Werberin um die Liebe des sterblichen Halbgottes Gilgamesch, und die Göttin der heiligen Jungfrauen der Prostitution, der "Bräute Gottes", deren Kinder "Jungfraugeborene" hießen.
Das Wort "Jungfrau" bedeutete einfach nur, dass sie jung waren und unverheiratet. Menstruationsblut und Sperma galten als magische Götterspeise. Oben auf den Stufenpyramiden vereinigten sich die Göttinnen und Götter mit den Töchtern und Söhnen der Menschen und brachten ihnen die Geheimnisse der Liebe bei.

Inanna's Geschichte, und der Mythos von Marduk, der die große Drachin Tiamat getötet hatte, um das vermeintliche Chaos zu ordnen, wurde zur unerschöpflichen Quelle aller späteren Mythen und Religionen der westlichen Welt. Wie Marduk die wilde Drachin Tiamat zerschlug, so bändigte Ba'al den Drachen Lotan, Jahwe den Leviathan und Jesus den Satan. Wie die Erlöserinnen Inanna, Ishtar oder Anat, so stieg auch Isis in die Unterwelt hinab, um dem geliebten Osiris mit ihrer Liebeskunst neues Leben einzublasen.

nanna brachte der Menschheit die Kultur. Sie gab den Frauen die Schrift und verriet ihnen die Geheimnisse der Sexualität. Durch Inanna's Priesterinnen der Liebe entwickelte sich die Sexualität zum erotischen Gottesdienst ohne jedes Tabu.
Später verfluchte der Ewige diese archaischen Rituale aufs Schärfste, und untersagte seinem Volk, sich wie die Tiere von achtern zu begatten. Sie sollten sich dabei in die Augen schauen, "one man to one woman", wenn es denn schon sein musste. So wurde von den Hebräern vor knapp 3000 Jahren die Missionarsstellung erfunden.

*

Kris hätte zu gern ein paar Tage in dieser Zeit der Liebe gelebt, vor 5000 Jahren im Zweistromland, als die Schrift erfunden wurde. Der Ursprung aller Kultur war die Sexualität. Inanna's Weisheiten kamen aus ihrer Vulva. Da konnten die Männer nicht mithalten. Nachdem sie sich als sexuelle Wesen erkannt hatten, fühlten sie sich machtlos. Sie wehrten sich dagegen.

Der Beginn der Zivilisation in den städtischen Hochkulturen Mesopotamiens war auch der Beginn der großen Kriege und der Beginn des heißen Endkampfes zwischen den Geschlechtern, der mit der Erfindung der Schrift vor mehr als 5000 Jahren von den Frauen entfacht, und mit der Erfindung der Religionen vor 2500 Jahren endgültig zugunsten der Männer entschieden wurde.

Sie waren es leid gewesen, ständig Loblieder auf ihre Matronen singen zu müssen, und als Lustobjekte missbraucht zu werden, als Pflug und Sämann auf dem Altar der unstillbaren weiblichen Lust. Das ganze Leben drehte sich nur noch um die Begattung. Danach mussten sie alles aufschreiben, so wie es ihnen diktiert wurde.
Durch das viele Schreiben entdeckten sie mit der Zeit die Macht des geschriebenen Wortes, die metaphysische Kraft der Schrift. So schlugen sie die große Göttin mit ihren eigenen Waffen. Die Frauen hatten die Schrift erfunden.
Die Antwort der Männer war die Erfindung der "Heiligen Schrift".

Mit freundlicher Genehmigung des Autors

Copyright Raphael Rabenherz

Copyright Foto Elise: ongha

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raphael@rabenherz.com

 

Letzte Aktualisierung Juni 2002