DIREKTKUNST (1987)
von Wolf Spemann
Die
Apokalyptiker
Die Apokalyptiker beschreiben die allgemeine Lage immer
präziser und erbringen den Nachweis, daß sie - leider -
nur allzu recht haben. Seit den dreißiger Jahren wird
zunehmend mehr Menschen bewußt, daß wir weltweit auf
eine Krise zusteuern, die Ende oder Neuanfang sein wird.
Der Soziologe Hans Freyer spricht von der Schwelle
der Zeiten und vergleicht die Krise unseres
Jahrhunderts mit dem Umbruch, den die Seßhaftwerdung der
Menschen bedeutete. Der Kulturphilosoph Jean Gebser
stellt fest, daß wir am Übergang der perspektivischen
zur aperspektivischen Zeit leben und es darauf ankommt,
ob uns der Wandel vom mentalen zum integralen Bewußtsein
gelingen wird.
Der Physiker Fritjof Capra gibt zusammen mit
Wissenschaftlern anderer Disziplinen das Buch ,,Wendezeit
- Bausteine für ein neues Weltbild heraus. Darin
schreibt er, daß ein Denkzeitalter zu Ende geht, das mit
der Frührenaissance begonnen hat und von Descartes
entscheidend geformt wurde.
Der Neurologe Hoimar von Ditfurth veröffentlicht das
Buch ,,So laßt uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen - Es
ist soweit. ,,Krieg und Zusammenbruch der irdischen
Biosphäre, das sind die apokalyptischen Reiter, mit
denen wir es heute zu tun haben. Die Art Mensch
steht vor dem Aussterben, weil sie durch ständig
wachsende Vermehrung und den Wahn des ungebrochenen
Fortschritts sich selbst die Lebensgrundlagen geraubt
hat.
Der Graphiker Horst Janssen schreibt und zeichnet das
Heft ,,Wenn es denn sein muß laßt uns doch
sterben. Auch er sieht keine Zukunft mehr, weil es
zwischen Überbevölkerung und Plutoniumwirtschaft keinen
Ausweg zu geben scheint.
Die Zahl der warnenden Stimmen läßt sich fortsetzen.
Sie alle nehmen in Kauf, als Miesmacher verschrieen zu
werden, weil die Mehrzahl von uns lieber mit der
Unwahrheit materiell etwas besser lebt, als sich die
Wahrheit einzugestehen und auf etwas Konsum zu
verzichten. Nur so wäre eventuell noch einiges zu
retten.
Ich will es in einem Bild zusammenfassen: Die
zivilisierten Völker gleichen einer Horde Halbstarker,
denen es gelungen ist, einige Autos zu bauen. Damit
fahren sie wie die Wahnsinnigen um die Wette, und es ist
nur die Frage, ob sie sich anrempeln, oder ob sie vor den
nächsten Baum fahren, ob ihnen der Sprit ausgeht, oder
ob sie gerade noch rechtzeitig zur Vernunft kommen, die
Geschwindigkeit drosseln und über Sinn und Verwendung
ihrer Autos nachdenken. Letzteres ist die einzige Chance.
Die Hoffnung
Die Hoffnung dürfen wir nicht aufgeben. In Gedanken an
die jüngere Generation finde ich die Äußerung
nun laßt uns denn sterben nicht tragbar.
Wenn wir auch neben den Positivisten, Utilitaristen und
den Verdrängern noch in der Minderheit sind, so haben
wir den Jüngeren gegenüber doch die Verpflichtung,
alles uns mögliche zu unternehmen, um den Kollaps zu
verhindern.
Es gibt auch überraschende und positive Anzeichen. Noch
nie in der Geschichte hat es weltweit Gruppierungen
gegeben, die von der Basis her gewachsen sind,
international funktionieren, allen Regierenden lästig
sind und dennoch an Macht laufend zunehmen, wie amnesty
international und Greenpeace.
Es könnte auch sein, daß das menschliche Leben auf dem
Planeten durch eine Kombination von Unfällen, Krankheit
und Unfruchtbarkeit vor dem Kollaps durch
Überbevölkerung gerettet wird, den von Ditfurth kommen
sieht. Man denke nur an Verkehrstote, an Harrisburg und
Tschernobyl, an Seuchen wie Aids oder an die zunehmende
Sterilität der Männer in den Industrienationen. Diese
Feststellung ist für die Betroffenen grausam, aber auch
für die, die übrigbleiben.
Wenn der gesamte Vorgang zu einer Bewußtseinsmutation
führt, so wäre das die Rettung für den stark
geplünderten Planeten. Heute wird rund um den Erdball an
den Hochschulen Information gesammelt und Verstand
geschult. Wer ver-steht, der be-steht auf seiner
An-sicht, auch wenn sie nur eine Teil-sicht ist.
Die Sonne der Ratio, schreibt Erhart
Kästner, es ist eine schwarze Sonne geworden. Die
Welt sollte ausgerechnet, ausgeforscht und verfügt sein,
in Besitz genommen. Doch in einem Wortsprung und
Sinnsprung wurde aus dem Besitz ein besessen.
In Zukunft wird an Hochschulen hoffentlich mehr Vernunft
gelehrt. Sie kommt von vernehmen, hinhören, was im Blick
auf die ganze Erde von uns verlangt wird.
Wissenschaftliche Entscheidungen ohne ethische
Anbindungen sind nicht mehr zu verantworten. Wenn dann
auch Religionsführer und Ideologen einsehen, daß die
Predigt zugunsten der grenzenlosen Vermehrung vor keinem
Gott und keiner sonstigen Instanz mehr zu verantworten
ist, dann könnte die aperspektivische Zeit beginnen und
die Menschheit durch ein weniger egozentrisches, dafür
aber integrales Bewußtsein in eine neue Phase ihrer
Existenz hinüberwechseln; ... sofern man nicht
davon ausgeht, daß die Laufbahn der Menschen beendet
ist (Leroi-Gourhan), wird es schnell notwendig
sein, daß diejenigen die Mehrheit bekommen, die sich
bewußt dazu entschließen, ihren Lebensstil zu ändern.
Der Mensch der nahen Zukunft wird vor der Aufgabe stehen,
das Problem des Verhältnisses zwischen Individuum und
Gesellschaft völlig neu zu durchdenken, sich konkret der
Frage seiner numerischen Dichte und seines Verhältnisses
zur Tier- und Pflanzenwelt zu stellen. In diesen
Worten des bedeutenden französischen Paläontologen
Andre Leroi-Gourhan sind alle Forderungen der Gegenwart
enthalten.
Das perspektivische Zeitalter
Das perspektivische Zeitalter - Gebser nennt Giotto als
ersten Vorläufer - hat den westlichen Menschen mehr noch
als die davor liegende unperspektivische Zeit zum
Augenwesen mit Überbetonung der Ratio und des Ego werden
lassen. Gebser nennt seine Bewußtseinsstufe mental und
grenzt sie von den archaischen, magischen und mythischen
Strukturen ab. Das ist jedoch nicht so zu verstehen, daß
die zeitlich spätere Bewußtseinsmöglichkeit die
frühere ablöst. Wir tragen vielmehr die früheren
Bewußtseinsformen in uns, auch wenn heute das mentale
Bewußtsein dominiert.
Herbert Read hat bereits 1964 darauf hingewiesen, daß
sich auf unseren Fußballfeldern und bei ähnlichen
Gelegenheiten heutiger Massenveranstaltungen alle
Anzeichen der Magie nachweisen lassen. Freud und auf ihm
bauend C. G. Jung haben hinreichend nachweisen können,
... daß die mythische Haltung... noch immer... in
uns weiterwirkt.
Wenn wir heute an der Schwelle zu einem neuen, dem
aperspektivischen Zeitalter stehen, kommt es darauf an,
die Zeichen zu erkennen und die Absprungbasis so stabil
wie möglich anzulegen. Dazu gehört von seiten der
bildenden Künstler, daß sie ihre Aufgabe in diesem
Wandlungsprozeß begreifen und ausfüllen.
Allgemeine Funktionen der Kunst
Allgemeine Funktionen der Kunst gibt es viele. Die Kunst
dient der Identifikation, der Repräsentation und
gelegentlich der Therapie. Sie hält den Menschen den
Spiegel vor, sie kritisiert oder sie schmückt und
anderes mehr. Sie fördert die Entwicklung der Sinne und
gibt deren Schulung einen Maßstab. Sie schafft ständig
eine Veränderung der Formsprache und bewirkt dadurch,
daß jede Zeit ihren eigenen Formenkanon besitzt. Schon
heute erkennen wir im Rückblick die fünfziger Jahre
nicht nur an den Nierentischen, sondern an der Gesamtheit
bevorzugter Details.
Eine Aufzählung der Funktionen der Kunst könnte
fortgesetzt werden, ist aber hier nicht vonnöten. Wir
haben seit Johann Joachim Winckelmann, dem Begründer der
Kunstgeschichte, seit Gotthold Ephraim Lessing, dem Vater
der Kunstkritik, und seit Conrad Fiedler, dem ersten
Kunsttheoretiker moderner Prägung, gelernt, die
Erscheinungen der Kunst zu benennen und zu ordnen, so
daß wir uns darüber einigermaßen verständigen
können. Es fällt immer noch schwer genug, was man an
den sprachlichen Blüten mancher Feuilletonseiten leicht
erkennen kann, und es bleibt ein beachtlicher Teil der
Bildkünste, der sich überhaupt nicht verbal fassen
läßt.
Die zu Anfang dargestellte geschichtliche Situation macht
eine Verlagerung künstlerischer Aufgaben notwendig. Alle
oben aufgeführten Funktionen bleiben gleichwohl
erhalten, aber darüber hinaus muß die Kunst dem, der
sie herstellt, wie dem, der sie wahrnimmt, dazu
verhelfen, die indirekten Lebensweisen zu überwinden.
Unsere Lebensvollzüge
Unsere Lebensvollzüge werden von Jahr zu Jahr
indirekter. Von den Verkehrsmitteln bis zu den
Kommunikationsmitteln, von den politischen Möglichkeiten
des Einzelnen bis zu den politischen Entscheidungen
wirken Mächte und Gefahren, denen wir ausgesetzt sind,
ohne es direkt zu spüren. Nur indirekt können wir sie
wahrnehmen, weil wir uns im Laufe des perspektivischen
Zeitalters und insbesondere in den letzten 100 Jahren von
einer auf die materielle Beherrschung der Natur
angelegten Technisierung haben mitreißen lassen. Nach
Tschernobyl ist vielen plötzlich bewußt geworden, daß
wir die größten Gefahren, die uns auflauern, weder
riechen noch sehen, weder hören noch schmecken. Was den
Physikern in den zwanziger Jahren bewußt wurde, das muß
nun jeder Laie um des Überlebens willen begreifen: die
Naturwissenschaft ist an eine Grenze gelangt, jenseits
derer auch den besten Fachleuten keine
Anschauung mehr möglich ist. Heisenberg
fragte als 18 jähriger einen älteren Studenten, wie das
sein würde, wenn die Physik erst Einblick in die inneren
Zusammenhänge der Atome bekommen könne. Der Kommilitone
winkte ab. Wenn man sie aber direkt sehen
kann? Man wird sie nie sehen können, sondern
nur ihre Wirkungen. Nicht einmal in der Vorstellung
der Naturwissenschaftler kann eine ,,Anschauung
mehr gelingen. Auf wirtschaftlichem Gebiet ist es nicht
viel anders. Die sichersten Methoden der Werbefachleute
sind nicht die offenen Anpreisungen einer Ware, sondern
das feine Spinnennetz kaum sichtbarer Fäden, in denen
wir uns verfangen, ehe wir uns dessen bewußt sind. Die
indirekte Werbung ist die sicherste, weil wir ihr am
hilflosesten ausgeliefert sind.
Noch empfinden die meisten von uns eine Antipathie -
mindestens eine Unsicherheit -, wenn wir zu
Indirektheiten verleitet werden. Das läßt sich an
folgender Reihe beobachten:
direkte Rede von Angesicht zu Angesicht,
eine Rede miteinander per Telefon,
eine Rede auf einem Telefonanrufbeantworter.
Allein das Bewußtsein, daß uns eine Maschine
zuhört statt eines Menschen, läßt uns
anders reagieren.
Es geht mir nicht darum, diese technischen
Errungenschaften abzulehnen oder gar zu verteufeln. Aber
wir müssen klar erkennen, was in uns vorgeht, wenn wir
die moderne Technik einsetzen, und wir müssen lernen,
sie gezielter, verantwortungsbewußter und
dementsprechend unter anderen Vorzeichen zu verwenden.
Die direkt wirkenden Künste können helfen, unser
Bewußtsein zu schulen, weil sie uns erlauben, unsere
Sinne zur schärferen Wahrnehmung und zur Kontrolle
einzusetzen.
Der ernsthafte Künstler ist der einzige Mensch,
der der Technik ungestraft begegnen kann, und zwar nur
deswegen, weil er als Fachmann die Veränderung in der
Sinneswahrnehmung erkennt (McLuhan).
Ernsthaft ist in diesem Zusammenhang vor
allem der, der durchschaut, was in der Welt geschieht,
und der in diesem Geschehen seine eigene Aufgabe erkennt.
In der Kunstpraxis muß er differenzieren lernen. Ein
Beispiel: eine Kugel, die ich sehe und ergreife und deren
Material ich möglicherweise noch am Geruch erkennen
kann, gibt mir sinnenhaft Sicherheit.
Eine Kugel, die in einem der modernen Medien auf mich
zufliegt, obgleich nur der optische Eindruck das so
scheinen läßt, ist eine effektvolle Illusion mehr unter
vielen, die ich im Alltag der Großstadt dauernd erlebe -
ob bei Lichtreklamen oder anderen optischen Informationen
ist gleichgültig. In diesem Beispiel ist der Unterschied
zwischen direktem und indirektem Erleben offenkundig. In
vielen anderen Fällen ist er weit schwerer zu
durchschauen, und es fordert ein geschärftes
Bewußtsein, ihn zu erkennen, um Konsequenzen ziehen zu
können.
Auf uns kommt zur Zeit eine Welle der Computertechnologie
zu. Sie wird vor allem von der Großindustrie und dem
Militär vorangetrieben. Der fortbestehende
militärisch-industrielle Druck in Richtung
Rationalisierung, Disziplinierung und letztlich
Entmenschlichung der Arbeit gehört zu den Grundpfeilern
der lnformationstechnologie (Roszak). Sie wird auch
von den großen Parteien der Bundesrepublik gefördert,
und es gibt offenbar nur wenige Politiker, die Durchblick
genug haben, dieses Kräftespiel zu durchschauen.
Die Menge der harmlosen kleinen Heimcomputer
und das SDI-Programm scheinen wenig gemein zu haben.
,,Das Verbindungsglied ist die Psychologie des
Kriegsheldentums, die chauvinistische Grundlage des
Nationalstaatensystems. Dieser Faszination von
männlicher Gewalttätigkeit... (Roszak) sind wir
zur Zeit noch ausgesetzt. Die Hoffnung, daß hier die
Frauenbewegung nach 10000 Jahren Patriarchat einen
schnellen Wandel bringen könne, wird erst ernst zu
nehmen sein, wenn die Frauenbewegung begriffen hat, daß
es nicht die Aufgabe der Frau sein kann, männlicher als
jeder Mann zu sein.
In alternativen Kreisen wird häufig auf
Rückzug in eine romantische Nostalgiewelt gesetzt; aber
es gibt kein Zurück. Wir brauchen auch nicht weniger,
sondern höhere, besser ausgebildete, aber anders
ausgerichtete Intelligenz. Eine Verlagerung des Denkens
tut not.
In den letzten zehn Jahren haben wir eine Unmenge
von Wissen über die Arbeitsweise der beiden kortikalen
Hemisphären des Gehirns hinzubekommen. Die linke
Hemisphäre... ist der Sitz unseres Verstandes und
kontrolliert jene Tätigkeit, die wir gewöhnlich dem
Bewußtsein zuschreiben. Jede Hemisphäre nimmt im
wesentlichen den selben sensorischen Input auf,
verarbeitet ihn aber auf unterschiedliche Weise... Die
linke Hemisphäre kodiert die eingehenden Informationen
in verbaler Form, und sie kommt durch logische,
analytische Schritte zu ,vernünftigen
Schlußfolgerungen. Die rechte, nicht dominierende
Hemisphäre macht eine holistische oder Gestalt-Synthese.
Sie kommt zu Schlußfolgerungen aufgrund nonverbaler
Inputs, ohne deduktive Ableitung (Budzynski).
Von diesen beiden Hemisphären ist seit 400 Jahren
unentwegt die linke bevorzugt geschult worden. Das
ganzheitliche Denken wurde dementsprechend
vernachlässigt. Die Folge war, daß uns hohes, aber
isoliertes Fachwissen ohne Blick und Verantwortung für
das Ganze in den derzeitigen Engpaß getrieben hat. Was
sich im Großen als Gefahr für das Leben auf diesem
Planeten ankündigt, zeigt sich nicht weniger in den
Formen des Zusammenlebens einzelner Menschen. Die
Hypertrophie des Sehsinns (Berend) hat
darüber hinaus unser Verhältnis zur Gewalt verändert.
Schon Aristoteles hat beobachtet, daß Blinde
verständiger sind als Taube, denn das Gehör hat einen
direkten Einfluß auf die Bildung des sittlichen
Charakters, was für das Geschaute nicht unmittelbar
gilt. Noch nachhaltiger wirkt der Tastsinn, der
Sinn der Mitte (Spemann) auf den Charakter,
nur ist der Tastsinn heute häufig reduziert.
Schon als kleine Kinder lernen wir, was wir an anderen
sehen, auf uns selbst zu übertragen. Wir sehen einen
anderen leiden, hören ihn klagen und ahnen, daß es
menschliche Pflicht ist, zu helfen. Schiller hat das
dichterisch in Worte gefaßt: Um uns zu
teilnehmenden, hilfreichen, tätigen Menschen zu machen,
müssen sich Gefühl und Charakter miteinander
vereinigen... Wie können wir bei noch so lobenswürdigen
Maximen billig, gütig und menschlich gegen andere sein,
wenn uns das Vermögen fehlt, fremde Natur treu und wahr
in uns aufzunehmen, fremde Situation uns anzueignen,
fremde Gefühle zu den unsrigen zu machen?
Der Prozeß der Einfühlung, d. h. hier des Mitleidens,
läuft von unseren Sinnen aus, mit denen wir das Leiden
der anderen Menschen wahrnehmen, über unser
Körpergefühl, auf das wir übertragen, was sich vor
unseren Augen und Ohren abspielt, bis zu der Instanz, die
ich (im Sinne Max Schelers) den Geist des Menschen nennen
möchte. Davor haben wir uns zu verantworten, und ihm
haben wir auf die Frage zu antworten: Warum hilfst Du
nicht!
Natürlich kann dieser Geist fanatisiert sein, kann
sadistisch verkommen sein oder gar nicht erst dahin
entwickelt worden sein, daß er die hier erwartete
Funktion ausüben soll. Dergleichen Verhaltensweisen
waren aber bislang innerhalb der menschlichen
Lebensgemeinschaften die Ausnahmen.
Diese Steuerung von den Sinnen über das eigene
Körpergefühl zum Geist des Menschen scheint schon heute
bei Kindern und Jugendlichen nicht mehr
selbstverständlich zu sein. Sie können den Prozeß
abblocken, denn sie sind gewohnt, Gewalt am Fernseher
oder am Videogerät zu sehen und zu hören, ohne
mitzuleiden. Der tägliche indirekte Umgang mit der
Gewalt hat sie abgestumpft. Dem wäre nur zu begegnen,
indem die Programme nicht nach Einschaltquoten, sondern
nach ethischen und künstlerischen Maßstäben
verantwortet würden. Aber das führt zu weit von meinem
Thema weg.
Die Lage der Kunst nach 1945
Die Lage der Kunst nach 1945, speziell in der
Bundesrepublik, war durch einen großen Nachholbedarf
gekennzeichnet. Er ist inzwischen längst gedeckt. Auch
die Welle der Enttabuisierungen ist vorüber: alles ist
erlaubt, nahezu nichts schockiert mehr. In hektischer
Folge wechseln die Erscheinungsbilder der Avantgarde. Die
Ausreifung künstlerischer Arbeit ist zweitrangig
geworden. Die Kunst ist frei, den Rest regelt die
Polizei.
Die blinde Selbstüberschätzung mancher Galeristen,
letztendlich würden sie aus einem Gegenstand erst
Kunst machen, indem sie ihn vermarkten, hat
vielleicht den Markt belebt, aber keineswegs die Kunst
selbst gefördert.
Der Beitrag der Bildkünste
Der Beitrag der Bildkünste zur Überwindung des
derzeitigen Engpasses und zum Einstieg in das
aperspektivische Zeitalter liegt in der Bewußtmachung
indirekter und der Förderung direkter Lebensvollzüge.
Die Bezeichnung Direktkunst ist neu, nicht
jedoch der Gedanke. Er hat, wie die meisten Ideen, bis
sie zur Ausreifung und verbalen Formulierung gelangen,
eine weit zurückreichende Geschichte. Auf der Suche nach
seinen Anfängen stößt man auf die Reihe derjenigen,
die seit Descartes darauf hingewiesen haben, daß der
Mensch bei allen Vorteilen der voranschreitenden
Zivilisierung die Bindung an die Basis nicht aus den
Augen verlieren darf. Um 1800 ist da insbesondere Johann
Gottfried Herder zu nennen. Mit zunehmender Technisierung
wuchs in dem darauf folgenden Jahrhundert die Bedeutung
des Sehsinns innerhalb des menschlichen
Wahrnehmungsapparates. Da wir durch keinen der anderen
Sinne so schnell Signale aufnehmen können und die Zeit
eine immer größere Rolle spielt, war es interessant
herauszufinden, wo die Grenzen menschlichen Gestaltens
gesetzt sind, wenn der Sehsinn von Geburt an fehlt. Die
Forschungen von Révész ergaben 1944 folgenden Befund:
Wenn der Blindgeborene plastisch gestaltet, dann
fühlt er sich in jene Stimmungs- oder Gefühlswelt ein,
die er in der Figur verkörpern will. Diese Einfühlung
löst Körperempfindungen aus, die unmittelbar durch die
ausdrucksfähige Hand gestaltbildend wirken. Was
Révész bei der Arbeit mit Blinden herausfand, hatten
andere durch die Beobachtung Sehender entdeckt und
Folgerungen daraus gezogen. Der Anthropologe Arnold
Gehlen setzte 1940 für die Beurteilung des Menschen,
seiner Natur und seiner Stellung in der Welt in seinem
gleichnamigen Buch neue Maßstäbe. Für unser Thema ist
sein Nachweis von Bedeutung, daß nur das Tastsystem und
das Laut- Hörsystem zu selbstempfindender
Eigentätigkeit führen und sogenannte
Kreisprozesse auslösen.
Der Philosoph Helmut Plessner hat den Kreisprozeß
zwischen sehendem Auge und tastender Hand als Inbegriff
der Nähe und Distanzlosigkeit bezeichnet: Das Auge
führt die Hand, die Hand bestätigt das Auge. Das
klingt unbedeutend, aber dahinter steht die Beobachtung,
daß ganzheitliches Wachstum des Menschen nur durch das
Zusammenspiel mehrerer seiner Sinne optimal gefördert
wird, während die Überbetonung des Sehsinnes und die
Reduktion der Handbewegungen auf das Drücken von
Knöpfen eine Verkümmerung der Lebensquellen
zur Folge hat, wie der Biologe Adolf Portmann 1973
schrieb. Er stellt dem vollen Erleben das
abstrakte Wissen gegenüber und weist auf die
Gefahr hin, die entsteht, wenn diese beiden zu sehr
auseinander gehen. Das paradox Erscheinende muß
gelingen: in einer Zeit, die mit höchster Anstrengung
auf Leistungen der sekundären Weitsicht hinarbeitet, in
dieser technischen Zeit das so anders geartete primäre
Weiterleben recht aufblühen zu lassen.
Was die Leistungen der sekundären Weitsicht
auf anderen Sektoren hervorbrachten, zeigt ein ähnliches
Bild.
Einige Jahre nach Portmanns Äußerungen hat Rudolf L.
Schreiber auf dem 1. Deutschen Unternehmertag im Oktober
1981 das Problem sehr offen ausgesprochen: Die
perverse Entwicklung unseres Systems wird überall
deutIich. Die Playboy-orientierte
Wegwerfmentalität des amerikanischen Managements war ein
Schritt in die falsche Richtung.
In der Kunst zeigte sich der Höhepunkt dieser
Entwicklung in der Verkehrung von Mensch und Maschine bei
Andy Warhol und anderen, für die er stellvertretend
erklärte: Maschinen haben weniger Probleme. Ich
wäre gerne eine Maschine, Du nicht? Dennoch wurde
dadurch niemand abgeschreckt.
Unsere Kunstmuseen sind auf die Gunst der Gesellschaft
erpicht in den USA sogar finanziell davon
abhängig , und so verwundert es nicht, daß die
Pop Art schnell Eingang bei ihnen fand. Sie war genauso
distanziert wie die Gesellschaft, die gleichzeitig eine
Phase der sexuellen Enttabuisierung durchmachte.
Ding und Sexsymbol sind eins geworden, wie es
Marilyn Monroe verwünschte (Salzmann).
Während sich die Direktkunst andernorts schon
ankündigte, stand die documenta 7 1982
weitgehend noch unter dem Zeichen der Weiterentwicklung
dieses Positivismus, der in manchen Äußerungen fatal an
die Gewalthymnen der Futuristen erinnert. Jack Goldstein
schrieb zu seinen Bildern u. a.: Kunst und Krieg
benutzen kalte Logik, um die Vorstellungskraft zu
lähmen. Solche Gedanken erwachsen aus einer
Weltauffassung, die der Inbegriff INDIREKTEN LEBENS ist:
Technologie übernimmt sämtliche Funktionen für
uns, so daß wir keine Erfahrungsgrundlage mehr
benötigen (Goldstein). Aber es fanden sich auf
dieser und der vorhergehenden documenta auch weniger
positivistische Tendenzen.
Gleichzeitig mit der Pop Art entstand der
Spazialismo des Argentiniers Lucio Fontana.
Bezeichnenderweise wurden seine Plastiken 1981 in einer
der ersten deutschen Tastgalerien ausgestellt. Joachim
Büchner schrieb zu dieser Ausstellung: Daß wir
heute die traditionelle Sehweise durch eine
>Tastgalerie< in Frage stellen, hängt zweifellos
auch mit einem geänderten, direkteren Verhältnis zur
modernen Kunst und zu den Problemen kreativen Schaffens,
der Beteiligung am Werkprozeß zusammen.
Bezeichnend ist auch, daß Fontanas Plastiken im Museum
wie Fremdkörper wirkten. Aus prähistorischer
Zeit, als die Erde noch auf ihrer gesamten Oberfläche
vulkanisch aktiv war, scheinen diese Formen auf uns
gekommen zu sein. Nun müssen sie sich in ihrer neuen
Umgebung behaupten. Gegenüber dem Museumsraum treten sie
dabei in ein Spannungsverhältnis, mit der Natur
verbinden sie sich zu einer Einheit. Das scheint
mir symptomatisch für eine veränderte Stellung des
Menschen und seiner Kunst zur Natur.
Einige der Aktionen der siebziger und Anfang der
achtziger Jahre haben sehr direkte Kontakte zwischen
Publikum, Künstler und Gestaltungsmaterial zustande
gebracht. Andere sind im Aktionismus steckengeblieben,
weil sie offenbar aus dem Gefühl entstanden waren, ein
Bedürfnis befriedigen zu wollen, ohne daß den
Aktionisten hinreichend bewußt war, was mit der Aktion
im eigenen wie im Bewußtsein der Teilnehmer erreicht
werden sollte.
Ähnliche Einschränkungen gelten für die Einschätzung
kinetischer Kunst. Kinetik, die reale Bewegung und damit
die Zeit den plastischen Künsten hinzufügt, ist eine
wesentliche Bereicherung. ... Gebilde, die durch
Eigenbewegung Formwandlungen zeigen, im Spiel mit dem
Gleichgewicht, pendelnd, kreisend, federnd, schwingend
oder in kombinierten Mechanismen... werden bewegt durch
Luftströmungen (Calder, Rickey)... durch
Elektromotoren... auch unter Ausstrahlung wechselnden
Farblichts (Schoeffer), schließlich durch elektrische
Sensoren oder Programmierung. Diese Aufreihung in
Gressiekers im übrigen so interessanten wie
aktuellen Buch, nennt direkt und indirekt wirkende
kinetische Kunst ohne Absatz nebeneinander. Gressieker
hat bereits 1955, angeregt u. a. durch Jean Gebser, die
Grundlagen für sein Buch erarbeitet und damit den ersten
Schritt auf die Direktkunst hin getan.
Den zweiten Schritt, der danach fragt, ob alles Machbare
auch sinnvoll ist und uns hilft, den Engpaß zu
überwinden, in den uns Positivismus und Utilitarismus
gebracht haben, ging er nicht.
Die Forderungen nach direkten Denk- und Handlungsweisen
in den bildenden Künsten als Antwort auf die indirekten
Lebensvollzüge, die unsere technische Welt mit sich
bringt, stellt sich in den anderen Künsten ebenso: ein
Schauspieler, der sich nicht frei bewegen kann, weil
seine Gestik dadurch eingeengt wird, daß an mehreren
Stellen seines Körpers Mikroports angeklebt sind, wird
zur Karikatur seiner selbst.
Filme vermitteln uns Illusionen. Sie gehören ihrem Wesen
nach zu den indirekt wirkenden Künsten. Aber selbst in
diesem Medium gibt es die künstlerische Entscheidung zur
Direktkunst. H. L. Rohleder hat einen Film mit dem Titel
Hommage à Walter Benjamin gedreht. Er ist so
angelegt, daß er von Aufführung zu Aufführung vor den
Augen des Betrachters verbrennt. Wenn er erneut
aufgeführt werden soll, muß er mehrfach geklebt werden
und wird dadurch entsprechend kürzer. Die Bewegung auf
der Leinwand und die Veränderung des Filmstreifens sind
einmalige Prozesse. Bis hin zum Geruch des verbrannten
Filmmaterials wird die übliche lndirektheit des Mediums
aufgrund der künstlerischen Idee überwunden.
Auch heutige Rauminstallationen zeigen die ganze Breite
zwischen indirekt wirkenden Künsten und der Direktkunst.
Sie existieren nebeneinander, fallen bisher noch unter
den gleichen Begriff Rauminstallation und
sind dennoch, bezogen auf das zentrale Problem der
Gegenwart, grundverschieden angelegt. Der eine erreicht
starke Effekte durch Lichtspiele, Geräusche und
Computergesteuerte Vorgänge, so daß der Besucher
überwältigt ist von dem, was auf ihn einstürmt. Dabei
hat er an keiner Stelle der Installation den Durchblick.
Im Gegenteil, er wird veranlaßt, auch hier zu
konsumieren, und wenn er Knöpfe drücken darf, so löst
er damit auch nur auf Entfernung indirekt Effekte aus.
Seine tägliche Welt voller indirekt funktionierender
Aktionen ist um weitere bereichert.
Im anderen Fall man spricht auch da von
Rauminstallation ist alles, was zu sehen, zu
riechen, zu hören oder zu tasten ist, für ihn
durchschaubar, in seinem Aufbau direkt erkennbar. Toni
Gragg hat eindeutig Stellung bezogen: Es ist sehr
wichtig, Erfahrungen erster Ordnung mit Dingen/Bildern
Sehen, Berühren, Riechen, Hören zu machen
und diese Erfahrungen festzuhalten. Die Kunst ist dafür
gut.
Joseph Beuys war die politische Folge solcher Kunst zu
gering; er wollte mehr und direkter politisch wirken,
weil er unter den lndirektheiten, Distanzen und der
Undurchschaubarkeit unserer gesellschaftlichen Verfilzung
litt. Wahrscheinlich hätte er sich den Worten des
Frankfurter Philosophen Bruno Liebrucks angeschlossen:
Die meisten Politiker lügen mit der Wahrheit, d.
h. mit der Zusammenstellung von Tatsachen, die uns dazu
bringen sollen, die von ihnen den Politikern
gewünschten Schlüsse zu ziehen, und zwar so,
daß wir uns einbilden, sie selbständig zu vollziehen.
Dagegen versucht Philosophie und Dichtung, wie alle
Kunst, zu einer Wahrnehmung zu verhelfen, die mit
Phantasie getränkt ist.
Beuys wollte nicht nur ein direkteres Einwirken der Kunst
auf die Menschen, er wollte die direkte
Demokratie unter Ausschaltung der
Parteibürokratien. Er hatte den Fluch der großen
Distanz durchschaut, an der alle Institutionen leiden.
Der Befehlende ist von der tatsächlichen Exekution
seiner Entscheidungen räumlich und zeitlich weit
entfernt; es ist ihm erspart, die Folgen seiner
Anordnungen mit ansehen und mit anhören zu
müssen... (Hacker). An diesen isolierenden
Distanzen wird sich in der Massengesellschaft auf vielen
Gebieten nur wenig ändern lassen. Das Gesetz der Masse
steht dagegen. Aber die Kunst ist frei. In der Kunst
haben wir die Wahlmöglichkeit nicht nur alle vier Jahre.
Bisher hat die Kunstwissenschaft bei aller
Problematik der Zuordnung einzelner Künstler seit
Anfang dieses Jahrhunderts neben anderen Ansätzen
zwei bis in die Gegenwart führende Stränge
(Busche) aus der Entwicklung der Plastik herausgelesen.
Der eine beginnt mit Picasso, der andere mit
Duchamps.
Diese und ähnliche Einteilungen verlieren angesichts der
Direktkunst an Bedeutung. Sie werden nicht aufgehoben,
aber zweitrangig. Der Beginn des aperspektivischen
Bewußtseins verlangt andere Denkkategorien. Zum Beispiel
hatte die Auseinandersetzung um den Vorrang der
realistischen, der mehr oder weniger abstrahierten und
der konkreten Kunst lange Zeit große Bedeutung. Sie ist
schon jetzt zurückgetreten gegenüber der Frage, wer mit
welchen Mitteln sich selbst und seinen Mitmenschen durch
den Umgang mit Kunst zu einem direkteren Lebensbezug
verhelfen kann. Das ist aber mit dem einen wie dem
anderen Stilprinzip möglich.
Damit ist der Unterschied zwischen der gegenständlichen,
der mehr oder weniger abstrahierten und der konkreten
Kunst nicht gleichgültig geworden. In Krisenzeiten kommt
es darauf an, die Aussagen so klar und eindringlich wie
möglich zu machen. Was in der Stoßrichtung klar und
eindringlich ist, muß darum nicht plakativ und
vordergründig sein. Sofern es sich um Kunst handelt, ist
diese immer vielschichtig. Konkrete Kunst aber ist
unverbindlich. Sie gibt auch bei höchster
künstlerischer Qualität dem Rezipienten allzu breite
Interpretationsmöglichkeiten. Das ist inhaltlich unter
Umständen von Nachteil. Die konkrete Kunst ist eine
Fachsimpelei unter Spezialisten in Sachen Form und Farbe
geworden: auf hohem Niveau, aber geschichtlich jenseits
des Höhepunktes. René Magritte hat bereits danach
gehandelt, aber in dieser eindeutigen, ja
dogmatischen Hervorhebung des Was gegenüber dem Wie
gerät Magritte in Konflikt mit beinahe allen
herkömmlichen Glaubenssätzen der Moderne, unterscheidet
er sich prinzipiell von nahezu allen seinen
Zeitgenossen.
Manche Aktionen leben von der Macht der direkt
miterlebten Geste. Wenn solche Performances über Video
oder Fernsehen verbreitet werden, dann geht durch die
Vermittlung dieser zwischengeschalteten Medien die Kraft
und Ausstrahlung der Aktion wieder verloren. Annegret Soltau hat 1976 die Aktion
Los-lösung durchgeführt. Es wurde eine
Video-Aufzeichnung produziert. Der Betrachter weiß
später, wieviel Personen mitgewirkt haben, welche Fäden
im Raum wie gespannt waren usw. Das aber, was solche
Aktionen zur Direktkunst werden lassen kann, läßt sich
über das indirekte des Videobildes nicht vermitteln,
denn entweder ist der Filmer selbst ein Künstler, dann
verformt er die Handlung zu einem neuen, andersartigen
Kunstwerk, dem die Merkmale der Direktkunst gerade fremd
sind, weil filmische Leistungen im Vordergrund stehen;
oder er ist ein Stümper, dann bleibt von der Vitalkraft
solcher Minuten nichts übrig.
Noch schwieriger liegen die Dinge bei Werken der
Holographie. Die Holographie wird eine Umwälzung
in Wissenschaft, Technik und Kunst bewirken, die sich
heute nur Menschen mit reicher Phantasie vorstellen
können. Vom Wesen der Sache her ist sie der
aperspektivischen Struktur und dem integralen Bewußtsein
in ihrer technisch bedingten Ganzheitlichkeit auf das
engste verwandt. Gleichzeitig aber schafft sie
wahrscheinlich in Kürze die indirektesten Kunstformen,
die man sich denken kann. Spätestens in der
Auseinandersetzung mit der Holographie wird deutlich,
daß wir an der Wende vom perspektivischen zum
aperspektivischen Zeitalter mit den bisherigen Begriffen
und Kategorien nicht mehr weit kommen.
Darum bleibt uns nur:
der Wandlung gegenüber vorurteilslos offen zu
sein,
kritisch die Entwicklung zu verfolgen,
Ideen zum Widerstand zu entwickeln, wo es Not tut,
mit brennender Geduld an den dringend
erforderlichen
Veränderungen zu arbeiten und
zugleich Halt zu suchen.
Der ist unter anderem dort zu finden, wo wir Menschen
unsere Sinne ausnahmslos ins Spiel bringen können und
die direkte Begegnung mit der Kunst suchen als dem
freiesten, was der Geist schafft und die Gesellschaft
zuläßt.
Aus dem Katalog: Wolf
Spemann DIREKTKUNST Plastiken
Objekte.
1. Auflage 1987
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