Ceres
Die römische Göttin des Ackerbaus
»Als erste hat
Ceres die Scholle mit krummem Pfluge geritzt,
als erste hat sie den Landen Korn und unblutge Nahrung geschenkt.
Als erste hat sie Gesetze gegeben.
Jegliches ist ihr Geschenk. Sie will ich besingen.
O könnte ich ein Lied singen, das der Göttlichen würdig!«
Die Göttin Ceres, die den Römern das Getreide, und insbesondere
den Spelzweizen schenkte, wurde im allgemeinen mit einem Ährenkranz
auf dem Kopf dargestellt, sie trägt Zepter oder Fackel, und
einen Korb mit Mohnblüten. Die Göttin fährt in einem
Wagen, der von geflügelten Schlangen oder Drachen gezogen wird.
Sie ist Erdmutter, wie die griechische Demeter, und sorgt für
das Wachstum und Gedeihen dessen, was die Menschen säen und
pflanzen.
Ceres wurde keineswegs nur von der Landbevölkerung geliebt
und verehrt.
Als Pluto, der römische Gott der Unterwelt, ihre Tochter Proserpina
raubte, rührte ihre Trauer um das verlorene Kind auch die Römerinnen.
Sie ist darüber hinaus für das Rechtswesen zuständig,
und sorgt in dieser Eigenschaft für die Frauen. Ein römischer
Ehemann, der sich aus anderen als den gesetzlich erlaubten Gründen
scheiden ließ, musste einen Teil seines Vermögens an
seine Frau und die Göttin abgeben. Als Hüterin des Rechts
ist Ceres unbarmherzig, wenn Gesetze übertreten werden. Sie
ahndet mit besonderer Strenge Vergehen am Eigentum ihrer Schützlinge.
Wer es wagte, sich des Nachts auf fremden Feldern zu bedienen, der
wurde, um die Rache der Göttin vorwegzunehmen, kurzerhand am
nächsten Baum aufgeknüpft.
Die römische Göttin des Ackerbaus stand sowohl als Hüterin
von Recht und Ordnung als auch Vorbild der treusorgenden Mutter
in hohem Ansehen.
Wurde Ceres anfangs in einem Erdspalt verehrt, so baute man ihr
und den Gottheiten Liber und Libera einen schönen Tempel auf
dem Aventin, als bei einer großen Hungersnot das sibyllinische
Orakel riet, die Göttin dadurch gnädig zu stimmen.
Ovid schreibt in seinen »Metamorphosen«, wie ihr zu
huldigen ist:
»Spelt, eine Gabe von knisterndem Salz und Körner von
Weihrauch mögt ihr der Göttin zulieb in die Flamme des
Opferherds streuen;
ist kein Weihrauch zur Stelle, entzündet nur Fackeln, mit Pech
getränkt:
Kleinste Gaben, wenn reinen Herzens gebracht, sind der Ceres, der
Guten, eine Freude.
Lasset, ihr Diener mit aufgeschürztem Rock,
eure Opfermesser vom Rind! Das Rind, es muss pflügen,
opfert das träge Schwein!«
Diana
Königin der Hexen, Göttin des Mondlichts
Die Göttin der Jagd,
die am liebsten in den Wäldern herum streifende Herrin der
Tiere, wurde von Frauen und Männern aus allen Schichten und
zumeist in Hainen verehrt. Eine Besonderheit des Kultes der römischen
Göttin war, dass er Freien wie Sklaven offen stand, weshalb
letztere auch zu Dianas glühendsten Verehrern gehörten.
Entflohene Sklaven fanden in ihrem berühmtesten Kult-Ort, dem
Hain von Aricia in Latium, der zugleich die Versammlungsstätte
der Latiner war, einen sicheren Zufluchtsort.
Die jungfräuliche Göttin stand in hohem Ansehen. Diana
kümmerte sich um die Fruchtbarkeit der Tiere und Menschen.
In früheren Zeiten wurde sie von Ledigen um eine baldige Heirat,
von frisch Vermählten um ein Kind und von Schwangeren um eine
glückliche Geburt angefleht. Oft wird die Göttin in einem
hochgeschürzten Jagdgewand, mit einer Zackenkrone auf dem Kopf
und einer Saufeder oder einem Bogen in der Hand, dargestellt.
Aufgrund ihrer engen Verbindung zum Mond wird sie auch mit Zauberei
und Hexerei in Verbindung gebracht. Sie unterhält eine enge
Beziehung zu den Wesen der Finsternis, den Geistern und Seelen der
Verstorbenen.
Die heidnische und äußerst emanzipierte Diana ist den
frühen Christen suspekt. Sie geben sich nicht damit zufrieden,
ihren Kult zu verbieten und die Heiligtümer zu zerstören.
Als »Königin der Hexen« wird Diana, und mit ihr
ihre AnhängerInnen, verdammt. In einer Anfang des zehnten Jahrhunderts
entstandenen Anweisung an Bischöfe, dem »Canon Episcopi«,
heißt es:
»Es darf außerdem nicht übergangen werden,
dass gewisse verbrecherische Weiber, Schülerinnen des Satans,
verführt durch die Vorspiegelungen und Einflüsterungen
der Dämonen,
glauben und bekennen, dass sie des Nachts
mit der heidnischen Göttin Diana
und einer unzählbaren Schar anderer Frauen
auf gewissen Tieren durch die Luft reiten,
über vieler Herren Länder heimlich und in der Totenstille
der Nacht hinwegeilen,
wobei sie Diana als ihrer Herrin gehorchen
und in bestimmten Nächten zu ihrem Dienste sich aufbieten lassen.«
Inanna
Himmelskönigin,
Göttin des Venusstern,
der Fruchtbarkeit und des Krieges
»Bei dieser Göttin
ist Rat zu finden;
die Geschicke von allem fasst sie in ihrer Hand.
Wo sie hinsieht, ist Heiterkeit geschaffen,
Lebenskraft, Pracht, Fortpflanzungskraft von Mann und Frau.
Sie gibt Erhörung, Liebeserweisungen, Freundlichkeit;
Auch das Einandergewähren hat sie in der Hand.«
So heißt es in einer altbabylonischen Hymne von der höchsten,
mächtigsten und bekanntesten Göttin des mesopotamischen
Pantheons, von der großen Inanna (»Herrin des Himmels«),
die in babylonischer Zeit schlicht Ischtar oder »Göttin«
genannt wird.
Die vielseitige Begabte, die vermutlich vom Mondgott Nanna und dessen
Gattin Ningal abstammt, bewältigt ihre unterschiedlichen Aufgaben
mit Hilfe ihrer besonderen göttlichen Kräfte (Me).
Ursprünglich gehörten diese Kräfte dem Gott Enki.
Inanna, wie sie damals noch hieß, wollte die Me gerne für
sich und ihre Lieblingsstadt Uruk gewinnen, aber es war klar, dass
Enki die Me nicht freiwillig an sie abtreten würde.
Da besuchte die Göttin ihn und blieb ein paar Tage in seinem
Palast. Eines Abends schlug sie ihrem Gastgeber vor, zum Zeitvertreib
ein Wettsaufen zu veranstalten. Es war Gott Enkis Fehler, darauf
einzugehen, und so entschwebte Inanna alsbald mitsamt den Me in
ihrem Himmelsschiff.
Der halbwegs wieder nüchterne Enki konnte sich an nichts mehr
erinnern und wunderte sich, wo die Me geblieben waren. Von seinem
Wesir Isimu erfuhr der geprellte Gott alsbald, was geschehen war.
Er entsandte Isimu nebst einigen Dämonen, die flüchtige
Göttin zu stellen, doch dieser gelang es, sicher nach Uruk
zu entkommen. Als Enki erkannte, dass nichts mehr zu machen war,
erwies er sich als guter Verlierer. Er überlies Inanna die
Me und bot ihr darüber hinaus ein immerwährendes Friedensbündnis
an.
Nicht unwesentlich zu dieser großmütigen Entscheidung
mag der Liebreiz der Göttin und ihre Gewohnheit beigetragen
haben, sich in der Regel nackt zu präsentieren.
Sie gilt als die göttliche Geliebte schlechthin.
Herodots Schilderung der »hässlichsten Sitte der Babylonier«
zeigt, wie stark um die Sexualität zentriert der Ischtarkult
gewesen sein mag. Ihm zufolge saßen im Tempel der Ischtar
(oder Aphrodite, wie der Grieche sie nennt) die Frauen in langen
Reihen, durch die Fremde schritten und sich jeweils eine von ihnen
auswählten, indem sie ihr ein Geldstück in den Schoß
warfen.
Inanna werden zahlreiche Liebhaber und einige Ehemänner nachgesagt.
Doch nur einer von ihnen, Dumuzi, auch unter seinem hebräischen
Namen Tammuz bekannt, ist von Bedeutung.
Aber auch dieser Verbindung ist kein glückliches Ende beschieden:
Inanna begab sich aus einem nicht näher bekannten Grund, manche
vermuten, weil ihr die Herrschaft über den Himmel nicht mehr
genügte, mit Hilfe der Me und sehr zum Missvergnügen ihrer
Schwester Ereschkigal, die bis dahin ungestört über das
Totenreich regiert hatte, einst in die Unterwelt.
Unterwegs erklärte Inanna ihrer treuen Dienerin Ninschubur,
was diese zu tun hätte, falls sie nicht zurückkehren sollte.
Ereschkigal hingegen traf Vorsorge, indem sie dem Türhüter
auftrug, ihrer Schwester an jedem der aufeinanderfolgenden Unterweltstore
jeweils eines ihrer Herrschaftsinsignien abzunehmen. Die spärlich
bekleidete Inanna erschien schließlich völlig nackt vor
der Schwester Ereschkigal, die sie mit finsterem Blick tötet
und den Leichnam an einen Haken an der Wand hängte. Mit dem
Zeitpunkt von Inannas Tod endete jegliches Sexualleben auf Erden
und kein Geschöpf pflanzte sich mehr fort.
Die gute Dienerin Ninschubur lief daraufhin verzweifelt zu verschiedenen
Göttern und flehte, ihre Herrin zu erlösen. Schließlich
erklärte sich Enki bereit, Inanna zu retten.
Der Gott kratzte ein wenig Schmutz unter seinen Fingernägeln
hervor und schuf daraus zwei Wesen, nicht weiblich, nicht männlich,
hauchte ihnen Leben ein und sandte sie mit dem Auftrag, Inanna mit
der Speise und dem Wasser des Lebens zu benetzen und wieder mit
heraufzubringen, in Ereschkigals Reich. Die beiden geschlechtslosen
Wesen, die nicht den sonst in der Unterwelt herrschenden Gesetzen
unterlagen, gelangten unbehelligt zur Herrscherin des Totenreiches,
erhielten auch Ischtars Leichnam zum Geschenk und erweckten ihn
sofort mit Hilfe der mitgebrachten Mittel zum Leben.
Der Wiedererweckten traten jedoch die Galla-Dämonen in den
Weg, die verlangten, dass Inanna an ihrer Stelle jemand anderes
zurückließ. Sie begleiteten die Göttin dann nach
Uruk, da Inanna nicht bereit war, ihre Dienerin oder ihre Söhne
zurück zu lassen.
Inanna wurde sehr zornig, als sie ihren Gemahl, den sie erwartet
hatte verzweifelt und in tiefer Trauer vorzufinden, in prächtige
Kleider gehüllt auf seiner Hirtenflöte spielend auf seinem
Thron vorfand:
»Worte des Ingrimms sprach sie gegen ihn aus.
Den Anklageschrei schleuderte sie ihm ins Gesicht:
Nehmt ihn! Fort mit Dumuzi!«
Da zerstückelten die Dämonen den Dumuzi mit Äxten
und nahmen ihn mit sich in die Unterwelt und das Land verdorrte.Tiere
und Menschen litten Not. Und auch Inanna klagte:
»Dahin ist mein Gatte, mein süßer Gatte.
Dahin ist meine Liebe, meine süße Liebe.
Mein Geliebter ist aus der Stadt entfernt worden.
O ihr Fliegen der Steppe,
mein geliebter Bräutigam ist von mir genommen worden,
bevor ich ihm ein angemessenes Sterbehemd überziehen konnte.«
Schließlich erbot sich Dumuzis Schwester Geschtinanna, die
»Weinrebe des Himmels«, aus Liebe ihres Bruders Schicksal,
was immer es auch sein mochte, zu teilen. Mit Hilfe einer Fliege
fanden die zwei Göttinnen schließlich den weinenden Dumuzi
und Inanna sprach:
»Du wirst in die Unterwelt gehen
für ein halbes Jahr.
Deine Schwester, weil sie darum bat,
wird während der anderen Hälfte gehen.«
So geschieht es seitdem, dass jedes mal, wenn Dumuzi für ein
halbes Jahr von seiner Schwester abgelöst wird, die Erde erneut
zu grünen anfängt.
Inanna, die Göttin der Liebesfreuden, lässt also nicht
mit sich spaßen, sie legt die Spielregeln fest und straft
Fehlverhalten.
Als einmal Gilgamesch, der sagenhafte König von Uruk, auf ihr
Liebesgeständnis all die Geliebten aufzählt, die sie schon
im Stich gelassen hat, und die verliebte Inanna einfach stehen lässt,
sendet sie umgehend den Felder verwüstenden, Gewässer
leertrinkenden Himmelsstier, der Menschen mit seinem Schnauben tötet.
Drei Plagen schickt sie über ganz Sumer, als ein Gärtner
sie in einem Lustpark vergewaltigt, in dem sie eingeschlafen ist.
Hier lernen wir die rächende Kriegsgöttin kennen, als
welche sie ebenfalls weithin bekannt und gefürchtet war.
Der babylonische König Hammurabi führte seine Siege auf
die Hilfe der Ischtar zurück und auch Nebukadnezar I. und die
assyrischen Herrscher Assurnasirpal und Assurbanipal verehrten die
Göttin und ersuchten sie um Orakel für ihre Kriegszüge.
Dem Assurnasirpal prophezeite die Ischtar den Sieg über die
Elam und befahl ihm, ihr Kultbild von dort zurückzubringen.
Den Respekt und die untertänige, ja geradezu kriecherische
Haltung der großen Könige Ischtar gegenüber, zeigen
die Verse aus einem akkadischen Hymnus an die Göttin:
»Assurnasirpal bin ich, dein hochbetrübter Knecht,
der demütige, der deine Gottheit fürchtet,
der umsichtige, dein Liebling; der die Brotopfer für dich regelmäßig
darbringt und Opfer für dich unaufhörlich hingibt ...
Ich, Assurnasirpal, der aufgescheuchte, der dich fürchtet,
der den Gewandsaum deiner Gottheit ergreift,
zu dir als Herrin betet: Blicke mich an, Herrin,
dann will ich dein Urteil anbeten; die du zürnest,
erbarme dich, dass dein Gemüt besänftigt werde!«
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