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Lebe glücklich

Die Liebe einer Nacht

 

 

 

 

 

 

 

Lebe glücklich
von Diana P. Bailey

Exakt zwölf Autos waren vorbeigefahren und ich probierte es gerade mit einem Zauberspruch meiner Großmutter, als die rotschwarze Ente mit Freisinger Kennzeichen quietschend, schaukelnd und sanft nach Patchouli duftend neben mir hielt.
Die Fahrerin war eine sommersprossige Schönheit mit langen Henna-Locken, braungebrannten Beinen, die unter einem weiten Rock hervorlugten, und der Bereitschaft, mich bis etwa fünfzig Kilometer vor mein Ziel mitzunehmen, sofern es mir nicht zu langsam ging, mit ihr und dem Entchen. Sie hieß Lil, von Lilian, bot heißen Kaffee aus der Thermoskanne an, und leckere Kekse mit Schokoladenfüllung. Beim Herumschauen entdeckte ich auf dem Rücksitz ein Exemplar der »Häutungen«, ebenso zerlesen wie mein eigenes, das zwischen den Kleidern in meiner Reisetasche steckte.
Wir unterhielten uns angeregt und kamen sehr vergnügt, zuletzt im Konvoi mit jungen Gebirgsjägern fahrend, zum Grenzübergang. Der war voller Panzer, Militärfahrzeuge und Gendarmerie, und glich in etwa dem, was ich mir unter einem Heerlager vorstellen mochte.

Ich verschwand schnell aufs Klo. Auch Lil nutzte die Gelegenheit. Sie war vielleicht achtundzwanzig, dreißig Jahre alt, so überlegte ich, fand sie sehr anziehend, unser bisheriges Gespräch interessant, ihre Stimme angenehm und was sie sagte, klug und freundlich.
Wir vermissten gemeinsam die Seife und teilten uns die helle Ecke vom Handtuch. Ich besah ihr schönes Gesicht ausgiebig im Spiegel über dem Waschbecken, erahnte einen vollen Busen unter dem weichen bestickten Baumwollhemd, zog mir, während sie durch ihr Haar strich, die Lippen nach und reichte den Stift an sie weiter.
Sie sah mir in die Augen, auf den Mund, bemalte den ihren, zwinkerte und flüsterte lächelnd hinter vorgehaltener Hand: »Jetzt merkt es keiner, wenn wir uns küssen.«
Ich wünschte es mir ganz schnell ganz fest, verstaute den glücklichen Stift, der ihre Lippen schon berührt hatte, und folgte der süßen Patchouli-Wolke nach draußen. Auf dem Weg hörten wir, dass Hanns Martin Schleyer tot aufgefunden worden war, im Elsass. Im Kofferraum eines PKW.
Das erklärte die selbst in diesen Tagen ungewöhnlich vielen Uniformträger hier, die Armeefahrzeuge, das ganze waffenstarrende Aufgebot. Die Flaggen auf Halbmast.
Jetzt war die Jagd freigegeben.

Lil sagte leise, dass sie ein bisschen was dabei hätte, ich verstand nicht und gestand meinerseits, dass ich einen amerikanischen Pass habe und dass es immer Ärger gibt, wenn die Grenzer nicht lesen können, dann stimmt nämlich die Farbe nicht, vom Dokument, und das irritiert dann die Mannen im Ehrenkleid.
Wir mochten beide keine Uniformen, stiegen kichernd ins Auto, beruhigten uns und machten freundliche Pokergesichter. Es war der ältere Beamte an meiner Seite, der die Pässe sehen wollte. Beim Weiterreichen von Lils Personalausweis erfuhr ich ihr Geburtsdatum. Lil war 1937 geboren, sie war 40.
Wir kamen gut durch die Kontrollen, ließen die Waffenträger hinter uns, und selbst das Entchen schien erleichtert, als wir uns Meter um Meter von ihnen entfernten, denn los wurden wir sie nicht. Sie waren truppweise unterwegs, kamen entgegen, überholten uns, und mir wurde ein bisschen Flau bei dem Gedanken, bald erneut auf der Straße zu stehen und ausgerechnet an so einem Tag in die Hauptstadt zurückzukommen.
»Goodbye, Gudrun« grüßte ein freistaatlicher Brückenpfeiler und Lil fragte, ob ich bei ihr auf dem Land übernachten mag, und am Morgen meine Reise fortsetzen; sie würde mich wieder an die Autobahn bringen. Ich spürte Erleichterung, da sie meinen letzten heimlichen, unausgesprochenen Wunsch erkannt hatte und so einfach erfüllte, sagte schnell »Ja« und dankte frohen Herzens für das Angebot.

Am späten Nachmittag erreichten wir das hübsche, bis unters Dach mit Efeu und wildem Wein bewachsene Haus, das etwas außerhalb des kleinen Ortes und ein gutes Stück von der Landstraße entfernt lag. Ich schaute auf das bunte Laub und die ehrwürdige Tanne neben dem Haus, während sich ein großer, schwarzer Hund bellend, jaulend, springend und im Zickzack um uns herjagend über Lils Rückkehr freute.
Der Hund hieß Hund. Wir wurden einander vorgestellt. Er beschnuffelte mich lange und ließ sich dann mit wachsender Begeisterung hinter den Ohren, über der Nase und um die Augen herum kraulen. Die verblüffte Lil murmelte kopfschüttelnd etwas von »feinem Wachhund«. Ich lachte mit, tat es ihr nach, streifte Socken und Sandalen ab, und folgte Frau und Hund barfuß ins Grün.
Wohlriechende Kräuter wuchsen zwischen Terrasse und Gemüsegarten auf kegelförmigen Erhebungen. Rechts von ihnen, inmitten großer alter Bäume, lockte ein Mosaik aus spiralförmig angeordneten Steinen, von Lil selbst geschaffen, zum Verweilen. Tief im Garten war ein kleiner Teich mit Trauerweide und gemütlicher Holzbank; dazwischen viel duftender Weihrauch, Lavendel, ein paar letzte Rosen, und rundum ganze Büsche, kleine Bäume, Heckenstücke, die von unzähligen Blüten der Kapuzinerkresse überwuchert waren und im Sonnenlicht gelborange leuchteten.
Mir fiel auf, dass der Hund die Beete übersprang und umlief, keinesfalls jedoch betrat und fragte, wie er zwischen Kulturland und Wiese unterscheiden kann, und Lil meinte, dass das doch zu sehen, zu riechen, zu schmecken ist.
»Der Hund ist klug und hat Feingefühl,« war ihre Erklärung.
Ich mochte ihren leicht wiegenden Gang, das Lachen und Strahlen der großen, blauen Augen, und folgte ins Haus, das ganz Lil war, genauso vielschichtig, farbenfroh und duftend wie der Garten, das mich aufgeräumt freundlich umfing, und bei aller Verspieltheit fast blitzend vor Sauberkeit.

Die Küche war hell, mit Fenstern auf zwei Seiten und einer Tür zum Garten. Hinter einem großen Holztisch mit üppigem Blumenstrauß stand ein riesiges altes, bequem aussehendes Sofa. Kleine Gewürzsträußchen waren zum Trocknen mit Bändern an ein Regal gebunden, und aus dem Herrgottswinkel über dem ewigen Licht blickte eine sanftmütig dreinschauende Alice Schwarzer auf mich herab.
Lil zeigte mir die angrenzende Speisekammer und erwähnte gerade deren Vorteile gegenüber Kühlschränken, als ich an der Innenseite der Tür ein Bild vom jungen Marx entdeckte. Darunter stand: EIN GROSSER KEKSESSER und ich musste es zweimal lesen, bevor mir der Sinn aufging. Karl Marx hatte also auch gerne Kekse gegessen; interessant, hatte ich nicht gewusst, war mir aber doch gleich irgendwie sympathisch gewesen, der Mann; und Hunger hatte ich auch.
Die kleine Wolke führte mich herum und zuletzt in ihren Schlafraum. Dort waren die Wände mit bunten Tüchern behangen und der Boden bis auf eine Blumeninsel vor dem Fenster an der hinteren Wand gänzlich mit Matratzen, Kissen und Decken ausgelegt. Zusätzliches Licht kam durch ein Dachfenster, das sicher eine wunderbare Aussicht auf den Nachthimmel gewährte und ich wünschte mir sofort, hier zu schlafen, und mit Lil.
Unsere Blicke begegneten sich, tauchten für einen Atemzug ineinander.
»Es schläft sich gut hier«, sagte sie, machte lächelnd den Schritt auf mich zu, enttäuschte mich, griff an mir vorbei nach einem Kännchen und gab den dürstenden Pflanzen Wasser. Draußen war ein Bellen vom Hund zu hören. Auf dem Weg nach unten erkundigte sie sich, wie es mit Abendessen aussieht, lachte amüsiert über die Begeisterung, die ihre Frage bei mir hervorrief, und ließ mich, nachdem ich um eine kurze Unterbrechung der Führung gebeten hatte, in einer kleinen, irgendwie adretten Toilette zurück.

Als ich auf dem Klo saß und um mich sah, hielten sich meine Augen eine Zeit auf einer Notiz rechts oben an der Wand: LEBE GLÜCKLICH stand da auf einem Zettelchen. Ein schöner Wunsch! Ich pinkelte fröhlich vor mich hin, besah die Blumen am Fenster, griff nach dem Klopapier und entdeckte die Frage WAS IST GLÜCK FÜR MICH? zu meiner Linken, die ich klug fand und sogleich zwecks späterer Beantwortung im Geiste aufschrieb und in mir zurücklegte.
Im Moment war Glück, dass Lil schon den Tisch gedeckt hatte, mich lächelnd mit duftend heißem Tee empfing, und dem ergänzenden Hinweis, dass das Leben immer jetzt ist, und alle Sorgen und Ängste zu allen Zeiten das Gestern oder das Morgen betreffen, »außer du hängst gerade über einem Abgrund«, wie sie sagte und als Ausnahme gelten ließ.

Ich dachte über ihre Worte nach, hielt die Tasse eine Weile zwischen den Händen, während sie ein Brot für mich schmierte und belegte, biss hungrig in das Stück Seligkeit, kaute mit geschlossenen Augen, ganz in mich gekehrt, knabberte nur Stückchen von der Brotrinde, dann nur Käse, leckte Butter, die meine Zunge küsste, öffnete die Augen, ganz überwältigt vom Geschmack. Lil strahlte mich an, erzählte, dass sie Brot, Butter und Käse von ihrer Nachbarin hat und die Kühe kennt, deren Milch sie trinkt.
Dreieinhalb Brote und zwei Äpfel schaffte ich, weil es so gut schmeckte, dann war ich pappensatt, stöhnte, war fast überfressen, zeigte Lil mein prall gefülltes Bäuchlein und sie lachte: Nun sei Schluss mit dem Füttern, das hätte sie davon, ein halbverhungertes Kind mitzunehmen, vermutlich bräuchte ich zunächst wohl auch noch ein längeres Ruhepäuschen vor dem Bad. Ich lobte ihr Einfühlungsvermögen, ließ die versteckte Frage nach meinem zarten Alter im Raum stehen und half scherzend und sehr angetan beim Wegräumen.
Lil holte ein kleines Tablett aus dem Schrank und wir setzten uns auf das Sofa. Als sie einen kleinen braunen Knubbel aus der versteckten Rocktasche hervorzauberte und ein paar Krümel zum duftenden Kraut mischte, dämmerte mir, was sie an der Grenze gemeint hatte. Wir rauchten schweigend und sahen uns dabei lächelnd an.
Der Hund kam herein, schaute zu Lil, verschwand kurz und erschien dann mit einer Decke, die er neben sich her schleifte, eine der Ecken zwischen den leicht gefletschten Zähnen haltend. Nachdem er diese zurechtgeschoben und im Kreis getreten hatte, legte er sich so, dass er uns beide gut sehen konnte.
Den Kopf auf den Pfoten betrachtete er uns, der ganze Hund glänzte im Kerzenschein, Augen und feuchte Nase strahlten mit dem tiefschwarzen Fell um die Wette, der buschige Schwanz wedelte sacht. Ich lachte und Lil beteuerte, das hätte er ohne zutun allein entwickelt, so sei der Köter nun mal. Ich sah in ihr schönes Gesicht, wunderte mich, dass sie den Hund Köter nannte und Lil sagte, es komme auf das Gefühl an, das mit dem Wort geht, und dass Köter und Neger Koseworte sind, wenn sie mit Liebe und Respekt gesagt werden.
Der Hund schien ihre Worte zu bestätigen, denn er kam beim dritten »Köter« auf uns zu, stand schweifschwenkend unter dem Tisch, ließ sich kraulen, streicheln, wir teilten ihn uns, er genoss das Vierhändige eine Weile sehr.

Lil zeigte mir ihr Arbeitszimmer mit dem großen Schreibtisch zwischen den Fenstern und Büchern bis unter die Decke. Das meiste in Augenhöhe und darüber hinaus war »Berufslektüre«, wie sie es nannte, dicke Bände, oft in Englisch, die sich mit seltsamen physikalischen Fragestellungen beschäftigten, dann Schwarzer, Fromm, Groddeck, Grof, und ich fand, dass sie sehr gut sortiert war, ich hier Wochen und Monate lesend zubringen könnte, und es für mich umso interessanter wurde, je weiter unten und schwerer erreichbar die Bände standen.
Hier gab es Bücher über Hexenwahn und Hexenprozesse, Hebammen und Krankenschwestern, »Gespräche mit einem Teufel«, Bücher über Menschenkunde, Astrologie, und ein paar abgegriffene amerikanische Publikationen um das Thema »how to grow hemp« mit wunderhübschen Fotos stattlicher, weiblicher Pflanzen, die mich sehr an das große, üppige Gewächs inmitten der Zuckerschotenbeete erinnerten.
Lil meinte, es lohne tiefer zu forschen, und sich nicht mit Oberflächlichkeiten und überkommenen Meinungen zufrieden zu geben, die nicht an Wahrheit gewännen, nur weil sie von vielen vertreten und unreflektiert nachgeplappert würden.
Ich gab ihr recht. Immerhin wurden aller Nationen Militärstiefel von Hanfnähten gehalten, lebenswichtige Fallschirmgurte und große Schiffstaue weiterhin aus den Pflanzen gefertigt, ebenso feinstes, hochbeständiges Papier. Der Qualität wegen.
Wir nickten uns zu. Meine Gastgeberin schob ein paar Holzscheite in den alten Küchenofen. Ihr rotes Haar leuchtete im Schein der Flammen. Sie sah gut aus, strich die Strähnen aus dem Gesicht, brühte Tee auf, lächelte, kramte kurz in der Speisekammer, brachte ein paar Kekse mit und landete einen Volltreffer. Natürlich konnte ich Kekse essen. Kekse gingen immer.
Lil machte sich ein wenig über meinen Appetit lustig. Ich erklärte ganz ernst, dass ich alles in Denkvermögen, Zungenfertigkeit, Liebesenergie und manchmal einfach nur puren Charme umwandle. Sie lachte und ich bemerkte kleine, goldene Sterne in ihren blauen Augen, als sie einen klugen, forschenden Blick tief auf den Grund meiner Seele sandte. Ich vergaß die Kekse und wir berührten uns sanft. Lil nahm mein Gesicht in die Hände und drückte ihre warmen Lippen auf meine. Ich sank ihr in die Arme, ließ mich umfangen und nah an ihrem weichen Busen und dem liebkosenden, zärtlichen Mund halten.
»Du kannst entweder alleine hier schlafen, wenn du magst, oder oben unterm Dach mit mir«, raunte sie zwischen Küssen und ich erwiderte, dass ich gerne möglichst nahe bei den Sternen schlafe und noch lieber mit ihr, und schmiegte mich an sie. Erneut sah sie ganz tief in meine Augen und ganz weit in mich hinein. »Ich habe eine Freundin,« sagte sie.
»Ich auch,« gab ich zurück. Es war das Versprechen, es bei diesem einen Mal zu belassen.

Sie führte mich in einen Raum voller Pflanzen, eine Art kombiniertes Gewächs- und Badehaus mit riesigem, alten Holzzuber, war schnell aus den Kleidern und im dampfenden Nass, in das ich vorsichtigerweise zunächst nur ein Bein hielt, bis ich ihren interessierten Blick auf mir spürte und schnell ins Wasser tauchte.
Heiß war es und schön zwischen den Pflanzen. Lils Brüste und Augen funkelten im Kerzenlicht. Nach wenigen Minuten rann mir Schweiß übers Gesicht und sie empfahl, zur Kühlung einen Fuß auf den Beckenrand zu legen.
Sie machte es vor, doch es war schon um mich geschehen: Ich ergriff die Gelegenheit, drückte die Lippen auf ihre Zehen, schmuste mit dem Füßchen, streichelte das Bein, immer mehr hinauf, spürte ihre wachsende Erregung, erregte mich an ihr, bis die liebliche Nixe plötzlich hintenüber ins Wasser glitt und ich, nachdem eine Ewigkeit nichts weiter geschah, unter ihre Achseln griff und sie hochzog.
Sie prustete, lachte, küsste zärtlich meinen glücklichen Mund und wusch mich mit einer duftenden Seife, deren feinen Schaum sie auf meinem Körper verteilte.
Ich tat es ihr gleich, gab köstliches Weiß auf zarte Haut, wir schaukelten küssend und engumschlungen, viel Wasser schwappte über, bis Lil riet, ein trockenes Plätzchen aufzusuchen, mit mehr Raum für die Liebe und die beiden Akteurinnen.

Wir liebten uns unterm Dachfenster. Behutsam, gierig, hemmungslos, unendlich sanft und immer mit dem Wissen um die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit des Geschehens. Ich hielt ihr schönes Gesicht in den Händen und sah in ihre Sternenaugen. Wir sanken in leichten Schlaf, der von Schmusen begleitet war, von Streicheln und leisem Geflüster.
Einmal schlug der Hund an und im ersten Licht des Morgens verließ sie mich, ihre nackten Füße sprangen die Stufen hinab, dann klapperte Geschirr und kurz darauf hörte ich ein anhaltendes Stakkato leiser Tippgeräusche, die mich zurück in den Schlaf trommelten. Ich erwachte von ihren Schritten, nahm köstlichen Milchkaffee, Honigbrot und dann die schöne Lil, die mir zärtlich und warm in die Arme floss.
Ich verliebte mich noch ein bisschen mehr in sie, den kleinen runden Nabel, den Duft ihrer Haare, in ihre Art, in mich hinein zu schauen und meinen Mund mit dem ihren zu bedecken. Es war Mittag, als sie mich mit selbstgemahlenem Körnermüsli verwöhnte, das mit Sahne und Früchten angemacht war, mich noch einmal lange küsste, und an die Autobahn brachte.
Die Sonne schien etwas zaghaft, es war kühl und ein wenig trübe an diesem Septembertag.
»Lebe glücklich«, sagte sie, strich mir über die Haare und wir zwinkerten und lächelten uns zu. Ich bedankte mich bei ihr, winkte zum Abschied und holte das Schild mit der Aufschrift »München« aus der Tasche.

Der dritte Wagen, ein älterer weißer Benz mit Passauer Kennzeichen hielt. Der Fahrer murmelte, dass er in Gedanken sei und mich nur mitnähme, weil seine Tochter auch trampt und er möchte, dass sie immer auf Männer trifft, die sich ums Autofahren kümmern. Er fragte nach meinem Alter, das würde ihn interessieren, und ich antwortete, dass ich im Jänner ´60 geboren bin.
Wir fuhren schweigend zwischen Armeefahrzeugen. Ich schaute auf die Bäume links und rechts der Autobahn und überdachte die Klopapier-Frage, die Frage, was Glück für mich ist.
Auf halber Strecke kramte ich den Stift aus der Tasche, der sanft nach Lil duftete und mich zärtlich an unseren Grenzübertritt erinnerte. Ich zog mir die Lippen nach und es war wie ein letzter Kuss von ihr.
Lebe glücklich, hatte sie gesagt, und dass das Leben immer jetzt ist, nie gestern, nie morgen.
Immer jetzt.

Copyright Diana P. Bailey